Frankreichs Präsident geht auf «Gelbwesten» zu
Nach monatelangen Protesten der «Gelbwesten» sucht Staatschef Macron einen Neuanfang. Die Steuern sollen für Millionen Menschen sinken - aber wie soll das finanziert werden? Auch im Verhältnis mit Berlin läuft nicht alles glatt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die von Staatspräsident Emmanuel Macron angekündigten milliardenschweren Steuersenkungen sorgen in Frankreich für heftige Debatten.
«Die Geschenke von heute werden die Steuern von morgen sein», erklärte der Chef der oppositionellen bürgerlichen Republikaner, Laurent Wauquiez. Macron habe auch keinen ernsthaften Vorschlag gemacht, wie Staatsausgaben sinken können.
Nach monatelangen Protesten der «Gelbwesten» hatte Macron am Donnerstagabend eine Senkung der Einkommensteuer mit einem Umfang von rund fünf Milliarden Euro und Erleichterungen für Bezieher niedriger Renten angekündigt.
Kommentatoren äusserten Zweifel, dass Macron mit seinen neuen Zugeständnissen das soziale Klima im Land rasch beruhigen kann. Priscillia Ludosky, eine prominente Wortführerin der «Gelbwesten», forderte bereits zu neuen Demonstrationen auf. Die «Gelbwesten» protestieren seit November gegen die Politik der Mitte-Regierung, einige von ihnen fordern auch die Rücktritt des seit knapp zwei Jahren amtierenden Präsidenten.
«Wir werden dem Defizit keinen freien Lauf lassen», versicherte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire am Freitag im TV-Sender LCI. Macron hatte bereits im Dezember Zugeständnisse im Umfang von zehn Milliarden Euro angekündigt; deshalb soll Staatsdefizit im laufenden Jahr über dem Maastrichter Grenzwert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. Paris hatte den EU-Partnern eigentlich zugesichert, die Defizitgrenze einzuhalten.
Die von Macron angekündigten Steuersenkungen sollen vom Beginn des kommenden Jahres an greifen, rund 15 Millionen Haushalte werden davon profitieren, sagte Le Maire. Zur Finanzierung sollen die öffentlichen Ausgaben sinken und Steuervorteile für Unternehmen abgeschafft werden. Ausserdem sollen die Franzosen mehr arbeiten. Le Maire versicherte auch, dass «es keine Rente unter 1000 Euro» geben werde.
Macrons politischer Hauptgegner, die Nationale Sammlungsbewegung der Rechtspopulistin und Europafeindin Marine Le Pen, warf dem 41-Jährigen vor, «nichts verstanden und nicht gelernt» zu haben.
Macron hatte im Januar eine Bürgerdebatte über Reformen gestartet und war selbst zu Treffen in die Regionen gereist. Le Pens Partei Rassemblement National (RN) ist in Umfragen für die Europawahl im Mai der Präsidentenpartei La République en Marche (LREM) dicht auf den Fersen oder liegt sogar gleichauf.
Macron gestand bei auch Meinungsunterschiede mit dem wichtigen EU-Partner Deutschland ein: «Es ist wahr, dass wir heute beim Brexit nicht auf der gleichen Linie sind.» Beim EU-Gipfel vor zwei Wochen hatten sich die verbleibenden 27 EU-Staaten darauf verständigt, den Briten einen Aufschub für den EU-Ausstieg des Landes bis Ende Oktober zu gewähren. Frankreich hatte sich für eine kürzere Frist ausgesprochen, auch wenn das einen Brexit ohne Abkommen bedeutet hätte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich auf die Fahne geschrieben, dem Ziel eines geordneten Brexits alle anderen Interessen unterzuordnen.
Das deutsch-französische Verhältnis sei nicht belastet, hiess es in Élyséekreisen. Ein deutliches Signal für eine enge Zusammenarbeit der beiden Partner sei das Treffen von Merkel und Macron mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping vor einem Monat in Paris gewesen. Ein weiteres wichtiges Zeichen sei zudem der von Deutschland und Frankreich gemeinsam veranstaltete «Westbalkangipfel» an diesem Montag in Berlin. Der Wille zur Zusammenarbeit bleibe stark, hiess es.