Guide Michelin hat neue Sterne für Deutschland vergeben
Gefühlt sind die Restaurants seit Monaten im Lockdown. Stillstand in den Gourmetküchen gibt es aber nicht. Die Michelin-Inspektoren haben auch im Pandemie-Jahr neue Sterne verteilt.
Das Wichtigste in Kürze
- Lockdown, Hygienepläne, Maskenpflicht - die Corona-Pandemie hat die Gastronomie wie viele andere Wirtschaftszweige schwer getroffen.
Feinschmecker können aber Pläne für die «Zeit danach» schmieden.
Die Inspektoren des Guide Michelin waren auch im vergangenen Jahr unterwegs und haben neue Sterne verteilt: In dem neuen Guide Michelin für Deutschland sind insgesamt 310 Sterne-Restaurants aufgelistet, darunter 1 neues Drei-Sterne-Restaurant, 3 neue Zwei-Sterne-Restaurants und 25 neue Restaurants mit einem Stern. Im Vorjahr hatte der Restaurantführer 308 Sterne-Restaurants aufgelistet.
Comeback für Schwarzwaldstube in Baiersbronn
Unter den zehn Drei-Sterne-Restaurants handelt es sich bei dem «Neuling» eigentlich um ein Comeback: Das Restaurant temporaire - in Baiersbronn. Denn im Januar 2020 wurde das Stammhaus der «Traube Tonbach» bei einem Brand zerstört, einschliesslich der mit drei Sternen ausgezeichneten «Schwarzwaldstube». Die Inhaberfamilie habe innerhalb kürzester Zeit ein neues vorübergehendes Zuhause für das Restaurant geschaffen, so das Guide Michelin-Lob. Hier knüpfe das Küchenteam um Torsten Michel nahtlos an das bisherige internationale Top-Niveau an - gewissermassen auferstanden wie ein Phönix aus der Asche. «Die exzellente klassisch-französische Küche legt den Fokus auf beste Produkte und auf wunderbare Kontraste für die rundum geschmackvollen Gerichte.»
Er sei «erleichtert», sagte Michel, als er von der Auszeichnung erfuhr. «Das lasst uns doch freudiger in die Zukunft schauen.» Auch wenn Michel bereits in der Vergangenheit mit drei Sternen gekürt worden war: «Die Karten werden jedes Jahr neu gemischt - und wir nehmen die Herausforderung freudig an.»
Neuzugang für deutsche Zwei-Sterne-Gastronomie
Drei Restaurants schafften es, mit einem zweiten Stern in die Zwei-Sterne-Gastronomie aufzusteigen, in der nunmehr 41 Restaurants aufgelistet sind. Dabei handelt es sich um das Esplanade in Saarbrücken, wo Silio Del Fabro mit der mediterran inspirierten klassischen Produkt-Küche einen zweiten Stern erkochte, das Goldberg in Fellbach mit dem Team von Philipp Kovacs und seiner «im Hier und Jetzt»-Küche. Sie vereine gelungen die Regionalität, den saisonalen Bezug und die Moderne, hiess es. «Das ist wahrscheinlich die beste Nachricht der letzten zwölf Monate», sagte Kovacs, als er per Videoschalte von seinem zweiten Stern erfuhr, angesichts der andauernden Krise der Branche. «Es war ein verrücktes Jahr für uns alle.»
Ebenfalls in die zwei Sterne-Liga aufgenommen wurde das Ösch Noir in Donaueschingen, das erst im vergangenen Jahr neu mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Küchenchef Manuel Ulrich beweise eine klare Steigerung seiner Leistung mit seiner modern umgesetzten klassischen Küche, lobten die Inspektoren, die ausserdem 25 neue Restaurants mit einem Michelin-Stern auszeichneten. Damit gibt es in der neuen Ausgabe des Guide Michelin für 2021 insgesamt 259 Restaurants mit einem Stern.
Sterne-Regen in Berlin
Spitzenreiter der Sterne-Gastronomie ist weiterhin Berlin. Die deutsche Hauptstadt verzeichnet mit insgesamt 25 Sterne-Restaurants die höchste Zahl im Guide Michelin 2021, darunter 1 Drei-Sterne-Restaurant, 5 Zwei-Sterne-Restaurants und 19 Ein-Stern-Restaurants.
Abseits der Metropolen gibt es allerdings eine deutliche Häufung von Sterne-Restaurants in der südlichen Hälfte Deutschlands. Gibt es etwa nicht nur den «Weisswurstäquator», sondern auch einen Genuss- und Sterne-Äquator? Schon seit den Anfängen des Guide Michelin in den 1960er Jahren sei zu beobachten, dass sich gerade in Süddeutschland viel tue, meint der Direktor des Guide Michelin für Deutschland und die Schweiz, Ralf Flinkenflügel. In Baden-Württemberg zeige sich die Nähe zu Frankreich, wo auf gute Küche besonders Wert gelegt werde. «Auffällig ist auch, dass es viele gute Küchen gibt in Weinbaugebieten - wer eine Affinität zu gutem Wein hat, möchte auch ein gutes Essen.»
Was war anders in der Pandemie?
Doch Spitzengastronomie während einer Pandemie zu testen - ist das überhaupt möglich? Ein Sternemenü to go - das wäre für viele Gourmets wohl eine merkwürdige Vorstellung. «Gefühlt hatten die Restaurants im vergangenen Jahr eine Ewigkeit zu - aber ganz so war es nicht», sagt Flinkenflügel. Zu zwei Dritteln des vergangenen Jahres hätten die Restaurants öffnen können. «Klar, wir mussten uns auch darauf einstellen», räumt er ein. Sein Team habe sich dabei unglaublich flexibel gezeigt und beispielsweise den Urlaub in der Zeit des Lockdowns genommen. «Zudem bekamen sie Unterstützung von internationalen Teams aus dem Ausland - das hat sehr geholfen.»
Einen Stillstand habe die Pandemie für die Spitzenrestaurants nicht bedeutet - einerseits seien die Restaurants «unheimlich gut besucht» gewesen, andererseits hätten viele Gastronomen die Zeit des Lockdowns für neue Überlegungen genutzt. «Wir hatten den Eindruck, viele Gastronomen haben sich hinterfragt, haben überlegt, wo können wir uns verbessern, was können wir optimieren?» Bei vielen Restaurants sei eine deutliche Steigerung erkannt worden.
Nachhaltigkeit wird immer wichtiger
Auch das Thema Nachhaltigkeit spiele eine immer grössere Rolle bei vielen Gastronomen. Im Guide des Jahres 2020 waren 18 Restaurants mit einem grünen Stern ausgezeichnet - 2021 sind es 53.
Möglicherweise frage sich mancher, wie man in so einer schweren Zeit den Guide veröffentlichen könne, meint Flinkenflügel. Es habe aber auch Anrufe von vielen Gastronomen bekommen mit dem Tenor: wenn ihr den jetzt auch noch nicht rausbringt, geraten wir in Vergessenheit. «Wir konnten die Restaurants bewerten und es ist auch 2021 ein positives Signal an die Branche», betont Flinkenflügel. Wenn die Restaurants nach dem Lockdown wieder Gäste empfangen dürfen, können die neuen Sterne also umso heller funkeln.