Dank Informationen von Youtube und Instagram sowie Börsen-Apps erlebt der Börsenhandel bei Jungen einen Boom. Verbraucherschützer warnen aber auch.
Niedrige Zinsen und der anhaltende Aktienboom bringen auch immer mehr junge Menschen an die Börse. Foto: Fabian Sommer/dpa
Niedrige Zinsen und der anhaltende Aktienboom bringen auch immer mehr junge Menschen an die Börse. Foto: Fabian Sommer/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Junge investieren immer häufiger.
  • Auch dank Informationen von den sozialen Medien.
  • Verbraucherschützer warnen aber vor der Gamifizierung durch Trading-Apps.
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Sie informieren sich bei Instagram und YouTube, handeln per Smartphone-App und springen auf Hypes auf, wie den rund um den US-Videospielanbieter Gamestop. Trading ist für einige zum Lifestyle geworden. Dabei geht es längst nicht allen jungen Anlegerinnen und Anlegern nur ums Zocken.

Etwa 600'000 neue Aktiensparer unter 30 Jahren verzeichnete das Deutsche Aktieninstitut (DAI) für das Corona-Jahr 2020. Gemessen an der Bevölkerung ist das immer noch wenig. Doch es bedeutet einen Anstieg von 67 Prozent in dieser Altersgruppe im Vergleich zum Vorjahr. Angesichts niedriger Zinsen und weiter steigender Kurse nach dem Corona-Crash erlebt die deutsche Aktienkultur zwar derzeit einen generellen Schub. Doch in keiner anderen Altersklasse stiegen die Aktionärszahlen so stark an. Wie kam es dazu?

Informationen via Youtube, Tiktok und Instagram

Thomas Kehl ist vielleicht ein bisschen mitverantwortlich für diese Entwicklung. Auf dem Youtube-Kanal «Finanzfluss» erklärt der 31-Jährige seit mehr als fünf Jahren alles zum Thema Finanzen und Vermögensaufbau. Fast 700'000 Abonnenten folgen dem Kanal, seit Beginn der Corona-Krise hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. «Es war noch nie so einfach, an Finanzwissen zu kommen, wie heutzutage», sagt der früherer Investmentbanker Kehl.

Wer sich auf Instagram, YouTube, Tiktok oder Twitch umsieht, findet eine schier unendliche Fülle an Informationen. Etliche Influencer mit teils Hunderttausenden Followern erklären Börsen-Grundlagen. Sie geben niederschwellig Tipps zur Depoteröffnung und Sparplänen oder analysieren Einzelaktien.

Youtube
Mit einfachen Videos bringt Kehl den Jungen die Finanzwelt näher. - Screenshort Youtube /@Finanzfluss

Die Kanäle heissen «Aktien mit Kopf» oder «Madame Moneypenny». «Das Thema ist jetzt einfach aus der trockenen, verstaubten Ecke rausgekommen», meint Margarethe Honisch vom Finanzblog «Fortunalista». Dadurch, dass Börsenwissen überall verfügbar sei, trauten sich viel mehr Menschen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.

Informationslücke verkleinert sich

Das Aktieninstitut freut sich über die neuen Informationsangebote: «Die Aktienkultur in Deutschland kann davon nur profitieren», sagt DAI-Chefin Christine Bortenlänger. Angesichts mangelnder ökonomischer Bildung in den Schulen gebe es «einen echten Bedarf».

Generell sei die Informationslücke zwischen Privatanlegern und institutionellen Akteuren durch solche Formate kleiner geworden. Dies sagt auch der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Jürgen Kurz. Er gibt jedoch zu bedenken: «Man muss sicher unterscheiden zwischen seriösen Informationen zum Vermögensaufbau und einigen Marktschreiern, die einzelne Aktien vor allem pushen, weil sie sie selber im Depot haben und gerne zu einem guten Kurs loswerden würden.»

Börsen-Apps vereinfachen Handel

Nicht nur der Zugang zu Informationen wird einfacher. Auch der Zugang zum Aktienmarkt ist leicht wie nie: Mit Börsen-Apps etwa lässt sich nach ein paar Klicks und einer Videoidentifikation bereits mit dem Handel loslegen. «Das Ganze hat einen spielerischen Charakter und ich glaube schon, dass viele junge Leute diese Angebote nutzen», sagt Kurz. Verbraucherschützer warnen jedoch, sich von der spielerischen Aufmachung nicht zum Zocken verleiten zu lassen.

Robinhood
App Robinhood - AFP

Was wollen die Jungen eigentlich am Aktienmarkt? Zuletzt hatten die Kurs-Rallys um Gamestop und andere Werte ein Schlaglicht auf die junge Trading-Szene geworfen. Die Hypes um Spasswährungen wie Dogecoin lassen zunächst nicht die Vermutung aufkommen, dass es den Beteiligten um langfristige Altersvorsorge ginge.

Junge investieren nicht risikoreicher

«Ich habe schon das Gefühl, dass die verantwortungsvoll investierende Community die grössere ist», sagt Youtuber Kehl. Viele starteten zunächst mit etwas weniger risikobehafteten ETFs (Exchange-traded funds). In letzter Zeit steige aber auch das Interesse an Einzelaktien oder Kryptowährungen wie Bitcoin. Die Zahlen des Aktieninstituts zeigen: Die neu dazugekommenen Aktionäre unter 30 griffen etwa gleichgewichtig zu Aktien und Fonds. Und in der Gruppe unter 40 legte sich nur jeder Vierte ausschliesslich Einzelaktien ins Depot.

Jungen Aktionären empfiehlt DAI-Chefin Bortenlänger vier Dinge: Vorher Rücklagen bilden, das Geld breit gestreut anlegen, kontinuierlich investieren und langfristig dabeibleiben. Besonders der letzte Punkt wird nach Ansicht von Experten die Feuertaufe für die neu aufkeimende Aktienkultur, denn: Noch haben die Jungen keinen Crash erlebt.

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