Innenministerium verteidigt Absage von Studie über Rassismus bei der Polizei
Das Wichtigste in Kürze
- Justizministerin Lambrecht widerspricht Seehofer.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach sich am Montag im ZDF für ein Festhalten an der wissenschaftlichen Untersuchung aus: «Es wäre wichtig, dass wir die Studie durchführen können.» Das Innenministerium verteidigte Seehofers Vorgehen.
Es seien zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus eine Reihe anderer Massnahmen geplant, deren Ergebnisse zunächst abgewartet werden sollten, sagte Ministeriumssprecher Steve Alter. Geplant sei nun zunächst, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ein Lagebild erstelle. Bei der Überprüfung von Rassismus-Vorwürfen gegen die Polizei solle «ein Schritt nach dem anderen» gemacht werden, sagte er.
Das Bundesinnenministerium hatte vor einigen Wochen angekündigt, eine Studie über Rassismus bei der Polizei erstellen zu lassen. Dies war auf Zustimmung bei der Opposition gestossen, auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte sich zustimmend geäussert. Am Montag allerdings sagte Ministeriumssprecher Alter, seine damals gemachte Aussage sei «unpräzise» gewesen. Über eine solche Studie sei noch nicht entschieden worden.
Der Sprecher verwies darauf, dass Innenminister Seehofer mit seinen Länderkollegen im vergangenen Jahr ein umfangreiches Massnahmenpaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus geschnürt habe. Dazu gehöre eine personelle Stärkung beim Verfassungsschutz.
Es sei eine Zentralstelle eingerichtet worden, die nicht nur bei der Polizei, sondern im öffentlichen Dienst allgemein schauen solle, ob rassistische und rechtsextreme Tendenzen erkennbar sind. Dieses Paket solle zunächst umgesetzt werden, «bevor neue Massnahmen implementiert werden».
Das Innenministeriums hatte am Sonntag erklärt, Seehofer sehe «keinen Bedarf» für eine wissenschaftliche Studie über Rassismus bei der Polizei. Dem entgegnete Lambrecht, es gehe bei einer solchen Studie «nicht darum, jemanden unter Generalverdacht zu stellen», betonte sie.
Alter betonte, es gebe auch in Deutschland Einzelfälle von Racial Profiling, bei dem Beamte Menschen allein aufgrund von äusseren Merkmalen wie der Hautfarbe kontrollieren. Die Auffassung, dies sei ein «strukturelles Problem», teile das Innenministerium aber nicht.
«Es wird in der Bundespolizei nicht geduldet, dass Kontroll- und Fahndungsmassahnen an rassistische Motive anknüpfen», sagte Alter weiter. Seehofer habe «höchstes Interesse» daran, dass Rechtsextremismus im öffentlichen Dienst und bei der Polizei erkannt werde.
Auch Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: «Wir alle in der Bundesregierung lehnen Racial Profiling.» Diese Methode widerspreche der Rechtsordnung. Wo sich Menschen von der Polizei aber ungerechtfertigt behandelt sehen, müsse dem nachgegangen werden.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes reagierte mit Unverständnis auf die Entscheidung Seehofers. «Der Bundesinnenminister vergibt damit eine wichtige Chance, entsprechende Fälle in der Polizei auszuwerten und Grundlagenforschung zu betreiben», sagte der kommissarische Leiter der Einrichtung, Bernhard Franke.
Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Jörg Schindler, kritisierte Seehofers Absage als «Unverschämtheit». Die Debatte dürfe nicht wegen des «Totschlagarguments» unterdrückt werden, die Polizei solle nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Bereits vorhandene Studien zeigten, dass es durchaus Racial Profiling in Deutschland gebe.
Nach Ansicht von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gibt es kein Racial Profiling bei der Polizei in Deutschland. Er gehe nicht davon aus, dass Polizisten in Deutschland «aus rassistischen Gründen Personen kontrollieren». Er halte die Debatte «für nicht angebracht». Es gebe vielmehr ein Problem mit Gewalt gegen Polizisten.