Israels Parlament debattiert über Auflösung und Neuwahl
Politische Krise in Israel: Wegen eines Streits der möglichen Koalitionspartner von Ministerpräsident Netanjahu droht die Regierungsbildung zu scheitern. Jetzt muss das Parlament entscheiden, wie es weitergeht.
Das Wichtigste in Kürze
- Israel steht möglicherweise vor der zweiten vorgezogenen Parlamentswahl innerhalb eines halben Jahres.
Weil die Koalitionsverhandlungen nicht zum Erfolg führen, will das Parlament in Jerusalem an diesem Mittwoch abschliessend über seine Auflösung abstimmen.
Ausserdem solle ein Datum für die Wahl festgelegt werden, sagte ein Sprecherin der Knesset.
Die Debatte begann gegen 12.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MESZ). Regierungschef Benjamin Netanjahu hat aber noch bis Mitternacht Ortszeit Zeit, seine Koalitionsverhandlungen abzuschliessen. Es werde insgesamt zwei Abstimmungen geben, sagte die Knesset-Sprecherin. Das Thema sei bis Mitternacht angesetzt.
Staatspräsident Reuven Rivlin sagte am Mittwoch, er werde alles tun, was in seiner Macht steht, um eine weitere Wahl zu verhindern.
Das Parlament hatte Anfang der Woche bereits zwei Mal mehrheitlich für seine Auflösung gestimmt. Als Wahldatum wurde zunächst der 17. September angestrebt.
Israel hatte am 9. April vorzeitig sein Parlament gewählt. Netanjahus rechtskonservativer Likud erhielt 35 von 120 Sitzen, genau so viele wie das Oppositionsbündnis der Mitte von Ex-Militärchef Benny Gantz. Insgesamt hat das Lager rechter und religiöser Parteien eine Mehrheit. Jedoch streiten mögliche Koalitionspartner des Likuds vor allem über ein Gesetz, das schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Wehrdienst verpflichten soll.
Für den Fall, dass es Netanjahu nicht gelingt, eine Regierung zu bilden, hatte ein Mitglied seiner Likud-Partei den Antrag auf Auflösung des Parlaments gestellt. Damit soll verhindert werden, dass nach dem Scheitern der Verhandlungen wie sonst üblich Präsident Reuven Rivlin einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt.
Netanjahu hat immer wieder an die Konfliktparteien appelliert, sich zu einigen - vor allem an den ultra-rechten Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman. «Es gibt keinen Grund, Milliarden zu verschwenden, es gibt keinen Grund, das zu tun, wenn die Lösung auf der Hand liegt», sagte Netanjahu am Montag im Parlament. Laut Finanzministerium würden Neuwahlen umgerechnet rund 117 Millionen Euro kosten, wie die Nachrichtenseite ynet berichtete.
Lieberman sagte, das Gesetz habe Symbolcharakter, und er werde in dem Streit nicht nachgeben. Er lehne einen religiösen Staat ab. Lieberman pocht darauf, dass sich strengreligiöse Juden stärker an den Kosten und Pflichten des Allgemeinwesens in Israel beteiligen.
Netanjahus Likud warf Lieberman am Mittwoch vor, er wolle den Regierungschef politisch vernichten und sein Nachfolger werden. Liebermans Partei gab dagegen an, der Ex-Verteidigungsminister bestehe nur auf seine Prinizipien.
Ohne die fünf Sitze von Liebermans Partei Israel Beitenu hätte Netanjahu keine Mehrheit. Auch seine strengreligiösen Koalitionspartner waren bisher nicht zum Nachgeben bereit.
Wenige Stunden vor Ablauf der Frist für Netanjahu lehnte auch die Arbeitspartei ein Angebot des Likud zur Regierungsbeteiligung ab, wie sie selbst sagte. Sie hätten in der Nacht zuvor nochmals ein Angebot erhalten, dieses diskutiert und sich dagegen entschieden, schrieb der Vorsitzende Avi Gabai auf Twitter. Er fordere weiter, dass Rivlin Gantz mit der Regierungsbildung beauftrage.
Die israelische Nachrichtenseite Maariv berichtete, israelische Politikvertreter hätten sich mit der Bitte an die USA gewandt, US-Präsident Donald Trump möge Druck auf Lieberman ausüben. Trump wünschte am Montag auf Twitter, dass die Regierungsbildung noch erfolgreich verlaufen werde. «Hoffe, (...) Bibi und ich können weiter die Allianz zwischen Israel und Amerika stärker als jemals zuvor machen», schrieb Trump. Bibi ist der Spitzname Netanjahus. Ein Oppositionspolitiker kritisierte die Aussage laut dem israelischen Fernsehen als Einmischung in die Innenpolitik des Landes.
Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner sowie US-Unterhändler Jason Greenblatt werden an diesem Donnerstag in Jerusalem erwartet, wie die israelische Zeitung «Haaretz» berichtete. Sie wollen demnach um Unterstützung für den lange erwarteten US-Friedensplan für den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern werben.
Ende Juni soll als erster Teil des Plans eine Konferenz für wirtschaftliche Investitionen in den Palästinensergebieten in Bahrain stattfinden. Die Palästinenser lehnen diese Konferenz ab. Sie verlangen nach den Worten führender Vertreter eine politische Lösung des Nahost-Konflikts und ein Ende der israelischen Besatzung. Die Präsentation des lange erwarteten Friedensplans könnte bei einer erneuten Wahl in Israel allerdings wieder verschoben werden.