Experten sehen die Wahl in Israel als richtungsweisend: Amtsinhaber Netanjahu steht wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck und kämpft um sein politisches Überleben. Die Wahlkampagnen werden hochemotional geführt.
Ganz auf einer Linie: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (r.) und US-Präsident Donald Trump präsentieren eine Proklamation über die Golanhöhen. Foto: Susan Walsh/AP
Ganz auf einer Linie: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (r.) und US-Präsident Donald Trump präsentieren eine Proklamation über die Golanhöhen. Foto: Susan Walsh/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Wahlkampf ist dreckig, die Gegner überziehen sich mit immer neuen Vorwürfen, es geht um Korruption, die seelische Gesundheit des politischen Gegners und möglichen Landesverrat.
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Israel wählt am Dienstag ein neues Parlament - im Vorfeld stehen aber mehr Emotionen als politische Inhalte im Mittelpunkt. «Diese Wahlen drehen sich nicht um Innenpolitik oder den Friedensprozess, es geht um Ministerpräsident (Benjamin) Netanjahu», sagt Menachem Klein, Politikprofessor an der Bar-Ilan-Universität bei Tel Aviv. «Es geht darum, ob die Öffentlichkeit möchte, dass Netanjahu weiter macht, trotz der Korruptionsvorwürfe gegen ihn, oder nicht.»

Netanjahu drohen in drei Fällen Anklagen wegen Korruption. Die Vorwürfe lauten Bestechlichkeit sowie Betrug und Untreue - es dreht sich um den Verdacht der Beeinflussung von Medien und teure Geschenke von befreundeten Milliardären. Der 69-Jährige streitet alle Vorwürfe ab.

Der Regierungschef verweist dagegen lieber auf seine Erfolge im Sicherheitsbereich, was ihm den Spitznamen «Mister Security» eingebracht hat. In den vergangenen zehn Jahren herrschte in Israel trotz des Gaza-Kriegs 2014 militärisch gesehen relative Ruhe.

Doch im Sicherheitsbereich macht Netanjahu sein Herausforderer Benny Ganz als Ex-Militärchef jetzt ernsthafte Konkurrenz. «Das erste Mal in einem Jahrzehnt steht Netanjahu ein Rivale gegenüber, eine Bedrohung», sagt Klein. Ganz erhält dabei mit seinem Bündnis der Mitte, Blau-Weiss, noch Unterstützung durch zwei weitere Ex-Militärchefs.

Die Politikwissenschaftlerin Gail Talschir von der Hebräischen Universität sagt: «Das grösste Thema in dieser Wahl ist für mich die israelische Demokratie: Bist Du für eine liberale Demokratie oder für eine neokonservative, nicht liberale Demokratie?» Dies sei die entscheidende Frage für die Wähler.

«Netanjahu führt eine neokonservative Regierung, die tief illiberal ist», sagt die Analystin. Regelmässig attackiert der Regierungschef etwa das Höchste Gericht, «linke» Journalisten und Kritiker aus der Gesellschaft.

Ganz mit Blau-Weiss stehe dabei für den israelischen Konsens für liberale Demokratie, sagt Talschir. Allerdings sei dafür die Position des 59-Jährigen bei diversen Themen nicht klar, etwa beim Konflikt mit den Palästinensern oder seine Vision der Wirtschaft.

Netanjahu prägt seit Jahrzehnten die israelische Politik. Seit 2009 ist der frühere Unternehmensberater durchgängig Regierungschef - nach einer Amtsperiode in den 1990er-Jahren. Sollte er im Sommer noch den Posten innehaben, wäre er der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels - und würde damit Staatsgründer David Ben Gurion überholen.

«Ich denke, dies ist der Kampf Netanjahus, es geht um Netanjahus Überleben», sagt Talschir. Der Regierungschef argumentiere mit «dem Recht der Mehrheit gegen das Recht des Gesetzes». Sollte er die Wahl gewinnen und anschliessend angeklagt werden, mache er bereits seine Argumentationslinie deutlich: «Die Wähler wussten Bescheid und haben mich gewählt, Ihr löst mich undemokratisch ab.»

Bis kurz vor der Wahl versucht Netanjahu zudem, mit aussenpolitischen Erfolgen zu punkten. Vor wenigen Tagen stand er mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro an der Klagemauer, dem grössten Heiligtum für Juden auf der Welt. Vor einer Woche traf er US-Präsident Donald Trump in Washington, dabei erkannte Trump die besetzten Golanhöhen als israelisch an.

Der israelische Wahlkampf erreicht dafür jede Woche einen neuen Tiefpunkt. «Das ist der dreckigste Wahlkampf, den wir je hatten, er verletzt alle heiligen Kühe, die es in der israelischen Gesellschaft gibt», sagt Talschir.

Israelische Medien berichteten im März, der Geheimdienst Schin Bet habe Ganz schon vor mehreren Wochen über einen iranischen Hackerangriff auf sein Smartphone informiert. Netanjahus Likud-Partei erklärte anschliessend, Ganz sei nun erpressbar und könne somit nicht Ministerpräsident werden. Netanjahu sagte, Ganz werde offen durch den israelischen Erzfeind Iran unterstützt. Später porträtierte die Partei Ganz als mental instabil.

Blau-Weiss wiederum warf Netanjahu vor, umgerechnet rund vier Millionen Euro im Zusammenhang mit dem umstrittenen U-Boot-Deal mit Deutschland eingenommen zu haben, ein Parteimitglied sprach von möglichem Landesverrat. Der Ministerpräsident drohte anschliessend mit einer Klage wegen Verleumdung.

Es wird eng bei der Wahl am Dienstag. Doch es geht für die Kontrahenten nicht nur darum, mit der eigenen Partei die meisten Stimmen zu holen. Entscheidend ist, welches Lager die Mehrheit hat: Links-Mitte oder Rechts. In zahlreichen Umfragen war Ganz' Blau-Weiss zwar die stärkste Kraft - allerdings hatte der Links-Mitte-Block keine Mehrheit.

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