Italien: 450-Seelen-Dorf nach Bootsunglück unter Schock
Das Bootsunglück, bei dem mindestens 64 Migranten ums Leben kamen, trifft das naheliegende Dorf Steccato di Cutro (I) schwer. Die Bewohner stehen unter Schock.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor dem italienischen Ferienort Steccato di Cutro sank am Sonntag ein Migranten-Boot.
- Die Dorfbewohner stehen unter Schock – Dutzende Leichen wurden an den Strand gespült.
- «Ich hoffe, ich werde das schnell vergessen können», sagt ein Fischer.
Mindestens 62 Migranten sind bei einem Bootsunglück vor der italienischen Küste ertrunken. Das Schiff aus Holz brach vor dem Ferienort Steccato di Cutro (I) wegen heftiger Wellen auseinander.
Der Vorfall hat das 450-Seelen-Dorf schwer erschüttert. «Ich hoffe, ich werde das schnell vergessen können», sagt Vincenzo Luciano dem «Guardian».
Der Fischer war einer der ersten Menschen, die den Unglücksort erreichten. Er eilte zum Strand, nachdem ein anderer Fischer gemeldet hatte, er habe ein Boot kentern sehen. «Es war noch dunkel, aber ich konnte am Strand viele Leichen sehen, auch welche von Kindern», erinnert sich Luciano.
Er habe mit der Lampe seines Smartphones versucht, Überlebende in den Wellen zu finden – ohne Erfolg. Inzwischen ist bekannt, dass rund 80 Geflüchtete aus Afghanistan, Pakistan, Irak und Iran das Unglück überlebt haben. 20 von ihnen sind noch im Spital. Noch ist unklar, wie viele Menschen sich insgesamt an Bord des Schiffes befanden.
«Es ist eine Tragödie»
«Ich behandle seit 30 Jahren Migranten und habe noch nie so etwas erlebt», sagt der Arzt Orlando Amodeo. Er kümmert sich gemäss der britischen Zeitung vor Ort um die Überlebenden. «Diese Menschen sind über 1000 Kilometer über das Meer gefahren, nur um drei Meter vor der Küste zu sterben. Es ist eine Tragödie innerhalb einer Tragödie, die Menschen trifft, die sowieso schon in einer unglücklichen Lage waren.»
Bilder zeigen, wie Rettungskräfte die Toten aus dem Meer an Land tragen. «So etwas ist hier noch nie passiert», meint Luciano. Noch am Montag ist der Strand übersät mit Schuhen, Rucksäcken und anderen Habseligkeiten der Verunglückten. Die Suche nach Vermissten hält weiter an.
«Wir sind alle schockiert. Der Strand sieht aus wie ein Friedhof», sagt Anwohnerin Antonella der britischen Zeitung. «Das Meer ist schön, aber trügerisch.» Die Dorfbewohner hielten am Montag eine Schweigeminute für die Verstorbenen ab.
Schiff von Frontex gesichtet
Mindestens 64Menschen, darunter 12 Kinder, sind beim Bootsunglück am Sonntag ums Leben gekommen. Das Migrantenschiff hatte vier Tage zuvor den Hafen von Izmir in der Türkei verlassen.
Am Samstag war es zuletzt von einem Flugzeug der Grenzschutzorganisation Frontex knapp 75 Kilometer vor der Küste gesichtet worden. Patrouillenschiffe, die ausgesendet wurden, um es abzufangen, mussten jedoch wegen des schlechten Wetters umkehren.
Es ist der tödlichste Vorfall dieser Art in Italien seit Oktober 2013. Damals kamen zuletzt 368 Migranten bei einem Schiffbruch vor Lampedusa ums Leben.