Kirchen sehen vorerst keine Alternative zur Kirchensteuer
Immer weniger Mitglieder bedeuten für die Kirchen auch immer weniger Steuereinnahmen. Bald könnte es finanziell eng werden. Aber über Auswege wird bisher nur zögerlich diskutiert. In die Diskussion gerät aber noch eine weitere Einnahmequelle.
Das Wichtigste in Kürze
- Die christlichen Kirchen in Deutschland sehen für ihre Finanzierung vorerst keine reelle Alternative zur Kirchensteuer.
Zugleich wächst bei ihnen die Bereitschaft, über staatliche Zahlungen in Millionenhöhe zu sprechen, die von den Oppositionsparteien im Bundestag offen infrage gestellt werden.
Ausgelöst hat die Debatte der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke, der jüngst eine ernsthafte Diskussion in der Kirche über die künftige Finanzierung verlangt hatte. Mit Blick auf Kirchenaustritte und die schrumpfende Bevölkerung warnte er in der «Augsburger Allgemeinen»: «Spätestens in zehn Jahren werden die Kirchensteuereinnahmen einbrechen.»
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur, schon jetzt sei bis 2030 mit einem Rückgang des Kirchensteueraufkommens um knapp ein Drittel zu rechnen. «Eine Abschaffung der Kirchensteuer würde diesen finanziellen Rahmen sicherlich noch weiter beschneiden.»
Gemeinsam mit seinem Kollegen aus Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, plädiert er daher für Sparsamkeit in der Kirche. Es werde künftig darum gehen, «sinnvolle Wege für einen verantwortlichen Umgang mit den geringer werdenden finanziellen Mitteln zu gehen.»
Laut Kohlgraf ist auch zu bedenken, «dass durch die Kirchensteuer alleine im Bistum Mainz viele tausend Menschen und ihre Familien über die seelsorgliche und soziale Arbeit, die sie für die Gesellschaft leisten, ihr Auskommen finden».
Auch Hanke hatte darauf hingewiesen, dass die Kirche dank der Steuern viel Positives bewirken und sichere Arbeitsplätze garantieren könne. «Dennoch müssen wir jetzt anfangen, über andere Möglichkeiten der Finanzierung nachzudenken und müssen dabei kreativer werden. Und wir müssen die Bereitschaft aufbringen, auf Privilegien zu verzichten.»
Die beiden grossen christlichen Kirchen haben 2017 zusammen etwa 660.000 Mitglieder verloren - wegen des demografischen Wandels und der Austritte. Im Internet kursieren Rechner, um zu ermitteln, wie viel Steuern sich durch einen Kirchenaustritt sparen lassen.
Die Kirchensteuer wird als Satz von 8 bis 9 Prozent auf die Einkommensteuer erhoben. Nach Angaben der Bischofskonferenz kamen 2017 bei den Katholiken bundesweit 6,4 Milliarden Euro zusammen. Den evangelischen Kirchen flossen im selben Jahr 5,6 Milliarden Euro zu.
Der Sprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Rahn, sagte, es gebe bislang «keine faire Alternative» zur Kirchensteuer. In der evangelischen Kirche Mitteldeutschlands (EKM) wird einem Sprecher zufolge bisher nachrangig über die Zukunft der Kirchensteuer nachgedacht.
Bei den Staatsleistungen für die katholische und evangelische Kirche handelt es sich um Zahlungen der Bundesländer mit Ausnahme Bremens und Hamburgs. Auslöser waren die Enteignungen deutscher Kirchen und Klöster Anfang des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Säkularisierung. Zum Ausgleich sprang der Staat ein. Die Weimarer Verfassung sah vor, diese regelmässigen Zahlungen durch eine einmalige angemessene Entschädigung abzulösen. Diese Regelung wurde in das Grundgesetz übernommen. Bislang wird aber noch jährlich gezahlt - seit 1949 laut «Frankfurter Allgemeiner Zeitung» (FAZ) fast 18,5 Milliarden Euro.
FDP, Grüne, Linke und AfD wollen die nun beenden. Der Steuerzahler ohne religiöse Bindung verstehe heute nicht mehr, weshalb er die Kirchen mitfinanzieren solle, sagte der kirchenpolitische Sprecher der Liberalen, Stefan Ruppert, der «FAZ». Sein Grünen-Pendant Konstantin von Notz hält zwar eine immense politische Vorarbeit für nötig. «Dennoch ist die Politik in der Pflicht, nach 100 Jahren des Bestehens der Ablösungsverpflichtung nun aktiv an Lösungen zu arbeiten.»
Der Gesprächsbedarf werde von den Kirchen anerkannt, sagte dazu der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, dem Südwestrundfunk. «Ich denke, dass es für viele Leute schwer verständlich ist, was diese Staatsleistungen bedeuten.» Es müsse aber ein Weg gefunden werden, der nicht einfach Rechtsverzicht bedeute. Andererseits könnten auch nicht «unmögliche Summen» vom Staat verlangt werden.