Zehntausende für Klimaschutz unterwegs - Thunberg in Berlin

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Deutschland,

Die Kritik an Deutschland war harsch, der Jubel der vielen Zehntausend Zuschauer gross. Greta Thunbergs Auftritt in Berlin wurde beklatscht und gefilmt. Aber auch in fast allen anderen grösseren Städten demonstrierten vor allem junge Menschen.

Steht in Berlin im Fokus: die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Foto: Jörg Carstensen/dpa
Steht in Berlin im Fokus: die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Foto: Jörg Carstensen/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Zwei Tage vor der Bundestagswahl haben Zehntausende überwiegend junge Menschen in ganz Deutschland für mehr Klimaschutz demonstriert.

Sie folgten dem Aufruf von Fridays for Future (FFF) und weiteren Protestaktionen im ganzen Land. Grosse Demonstrationen zogen lautstark und friedlich unter anderem durch Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig und Freiburg. Allein in der Hauptstadt sprach die Polizei von einer Teilnehmerzahl im «mittleren fünfstelligen Bereich», die Aktivisten selbst gingen von 100.000 Demonstranten aus. Bundesweit waren es demnach 620.000.

Bei einem Auftritt vor dem Reichstagsgebäude kritisierte die 18-jährige schwedische Initiatorin von Fridays for Future, Greta Thunberg, Deutschland scharf: «Deutschland ist objektiv gesehen einer der grössten Klima-Bösewichte.» Die Demonstrationen waren Teil des internationalen Aktionstags für mehr Klimaschutz. Fridays for Future verlangt Massnahmen für die Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad.

Regierungssprecher Steffen Seibert verwies angesichts der Proteste auf Fortschritte und sagte, die Regierung habe ihre Anstrengungen verstärkt, um neue Klimaziele zu erreichen. Es gebe eine neue Dynamik in Deutschland und auf europäischer Ebene. Viele Prozesse seien im Gang. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe wiederholt betont, wie wichtig der Einsatz für den Klimaschutz sei. Die Bewegung Fridays for Future habe «natürlich etwas erreicht».

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bedankte sich auf Twitter für das Engagement. Fridays for Future habe mitgeholfen, dass Klimaschutz oben auf der Agenda stehe. «Ich sage ausdrücklich: Dass heute Klimastreik ist, ist richtig.» Klimapolitik gehöre zu den wichtigen Themen, über die bei der Wahl entschieden werde.

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet versprach in einer Botschaft auf Instagram mehr Tempo beim Klimaschutz: «Für die CDU ist ganz klar, nicht erst seit heute: Deutschland muss beim Klimaschutz schneller und besser werden.» Das Ziel sei, weltweit so schnell wie möglich Klimaneutralität zu erreichen.

Demonstranten fragten auf einem Plakat in Berlin: «Moin Olaf, 9,5 Milliarden Euro Steuervorteil für Diesel - willst Du das nicht mal anpacken?» Auf einer Aufblasfigur mit den Gesichtszügen Laschets stand: «Klimaschutz bei CDU/CSU? Nichts als heisse Luft.»

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach in Köln in der Nähe der Universität mit Demonstranten. Empfangen wurde sie bei ihrem überraschenden Auftauchen wie eine Art Rockstar. Die einen baten um Autogramme, andere um Selfies. Die Wahlkämpferin kam den Wünschen gerne nach - perfekte Bilder zwei Tage vor der Bundestagswahl. Noch vor Beginn des Protestmarschs verabschiedete Baerbock sich wieder. Am Nachmittag wurde sie zum bundesweiten Wahlkampfabschluss ihrer Partei in Düsseldorf erwartet.

Thunberg sagte: «Deutschland ist der viertgrösste Kohlendioxid-Ausstosser in der Geschichte und das bei einer Bevölkerung von 80 Millionen Menschen. In ihrer Rede auf Englisch, die von Applaus begleitet wurde, forderte sie eine Veränderung des «Systems». Man könne sich aus der Krise nicht «herausinvestieren, bauen oder kaufen». Umso länger man so tue, «desto mehr Zeit verlieren wir».

Neben Beifall gab es für Thunberg auch Gekreische und Teenager-Rufe wie: «Ich liebe dich Greta» und «Oh mein Gott, ich habe Greta gesehen». Viele filmten ihren Auftritt mit Handys. Nach der Kundgebung verliess sie begleitet von Polizisten den Platz vor dem Reichstagsgebäude. Zuvor hatten drei ältere Männer sie bedrängt und mit Gesten beleidigt.

Bei dem langen Berliner Demonstrationszug hiess es in Sprechchören: «Wir alle für 1,5 Grad». Auf Plakaten standen Slogans wie: «Oma, was ist ein Schneemann?» oder «Die Natur verhandelt nicht». Unter den grösstenteils jungen Demonstranten waren viele Schüler, die an dem Tag einen Schulstreik ausriefen. Eine Gruppe von Kindern aus der 3. bis 6. Klasse rief im Chor: «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr unsere Zukunft klaut». Der zehnjährige Sasha sagte: «Wir wollen nicht, dass die Welt kaputt geht und mit Plastik voll ist.» Andere Teilnehmer skandierten Parolen aus der linksradikalen Szene wie «Anti-Capitalista».

In Hamburg zog es laut Polizei rund 21.000 Menschen unter dem Motto «AllefürsKlima» auf die Strassen der Innenstadt. Unterstützt wurden die jungen Klimaschützer unter anderem von prominenten Musikern wie Zoe Wees, Jan Delay, AnnenMayKantereit.

Auch in Nordrhein-Westfalen gingen Zehntausende Menschen auf die Strasse. In Köln waren es nach Polizeiangaben bei mehreren Protestzügen, die sich am Nachmittag vereinen sollten, jeweils mehrere Tausend Menschen. In Bonn sprachen die Veranstalter bei Twitter von «knapp 10.000» Teilnehmern. Demonstrationen gab es unter anderem auch in Aachen, Düsseldorf, Dortmund und Münster.

Protestiert wurde ebenso in Baden-Württemberg. In Freiburg seien 12.000 Teilnehmer bei den Protesten dabei, erklärten Polizei und Veranstalter. Auch in Stuttgart zogen laut Polizei mehrere Tausend durch die Innenstadt. Dort waren Plakate mit der Aufschrift: «Jetzt handeln - wir haben keine Zeit mehr» zu sehen. Grüne, Linke, die katholische und die evangelische Kirche sowie die Lehrergewerkschaft GEW hatten zur Teilnahme an den Klimaprotesten aufgerufen.

In Leipzig startete eine Demonstration mit mehreren Tausend Teilnehmern. Bei der Auftaktkundgebung zog sich die Menschenmenge vom Hauptbahnhof bis zum Augustusplatz. Auch in Dresden waren einige Tausend Menschen unterwegs.

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