Kreuzfahrt-Branche kämpft mit Neustart
Das Wachstum der Kreuzfahrt-Branche schien zeitweise grenzenlos. Doch der weltweite Lockdown zur Bekämpfung der Corona-Pandemie brachte das Geschäft zum Erliegen. Der Neustart erweist sich als schwierig, wie ein Ausbruch in Norwegen zeigt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Corona-Krise hat die Kreuzfahrt-Branche weiter im Griff.
Die norwegische Reederei Hurtigruten bietet nach einem Coronavirus-Ausbruch auf ihrem Kreuzfahrtschiff «Roald Amundsen» vorerst keine Reisen mit ihren drei Expeditionsschiffen mehr an.
Am Wochenende verschob zudem die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises ihren Neustart nach der Corona-Zwangspause. Die geplanten Mini-Kreuzfahrten auf der Ostsee für die erste Augusthälfte wurden abgesagt, weil die letzte formale Freigabe durch den Flaggenstaat Italien noch ausstand.
Hurtigruten teilte mit, sowohl in Norwegen als auch ausserhalb norwegischer Gewässer würden bis auf Weiteres alle Kreuzfahrten mit der «Roald Amundsen» sowie den Schiffen «Fridtjof Nansen» und «Spitsbergen» gestoppt. Zuvor waren 36 Besatzungsmitglieder, darunter ein deutscher Staatsbürger, sowie mittlerweile auch bislang fünf Passagiere des Schiffes positiv auf das Coronavirus getestet worden.
Hurtigruten-Chef Daniel Skjeldam räumte Fehler seines Unternehmens ein und bat dafür um Entschuldigung. «Wir haben versagt. Wir haben Fehler gemacht», sagte er am Abend auf einer Pressekonferenz. Man wolle offen zu den Versäumnissen stehen und somit Vertrauen zurückgewinnen, sagte er.
Ob Hurtigruten gegen die rechtlichen Bestimmungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Verbreitung verstossen hat, sollen nun polizeiliche Ermittlungen zeigen. Regierung und Behörden beschränken den norwegischen Kreuzfahrtverkehr derweil umgehend: Schiffe mit mehr als 100 Personen an Bord werden vorübergehend daran gehindert, für den Landgang ihrer Passagiere und Crew-Mitglieder in den Häfen des skandinavischen Landes anzulegen, wie Norwegens Gesundheitsminister Bent Høie in Oslo bekanntgab. «Wir müssen diese notwendigen Massnahmen ergreifen, um die Ausbreitung der Infektionen in Norwegen zu stoppen», sagte er. Zugleich solle untersucht werden, was bei Hurtigruten falsch gelaufen sei.
Seit der erste Corona-Fall unter den Crew-Mitgliedern am vergangenen Freitag bekannt geworden war, liegt die «Roald Amundsen» an einem Kai im nordnorwegischen Tromsø vor Anker. Auch die weiteren beiden Expeditionsschiffe werden festgemacht, wenn sie ihre derzeitigen Kreuzfahrten in den kommenden Tagen abgeschlossen haben. Die Hurtigruten-Schiffe auf der sogenannten Postschifflinie zwischen Bergen und Kirkenes verkehren dagegen weiter.
Der Reisebüro-Verband VUSR sprach sich für eine allgemeine Corona-Testpflicht auf Kreuzfahrtschiffen aus. «Es sollte für den Kreuzfahrtgast eine Testpflicht vor dem Antritt der Reise geben», sagte Marija Linnhoff, Vorsitzende des Verbands unabhängiger selbstständiger Reisebüros, der «Rheinischen Post» (Montag). Die Kosten sollten von den Gästen selbst getragen werden. «Wer sich eine Kreuzfahrt leisten kann, kann sich auch das leisten», meinte Linnhoff. Sie plädierte auch für eine generelle Testpflicht für alle Urlaubsrückkehrer.
Die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises hatte am Wochenende die Mini-Kreuzfahrten auf der Ostsee für die erste Augusthälfte abgesagt. Entgegen den Erwartungen des Unternehmens stehe eine letzte formale Freigabe für den Start der Kurzreisen ab 5. August durch den Flaggenstaat Italien noch aus, teilte Aida mit. Für Aida Cruises ist dies ein herber Rückschlag.
Für den Neustart hatte Aida 750 Besatzungsmitglieder aus Asien am 22. Juli mit drei Flugzeugen eingeflogen. Corona-Tests nach der Landung ergaben elf Infizierte, die in der Folge isoliert wurden. Für den Neustart seien umfassende Konzepte entwickelt und alle erhöhten Hygienestandards sowie Massnahmen zum Schutz vor Covid-19 an Bord der Schiffe umgesetzt worden, betonte das Unternehmen. Bei den geplanten Fahrten ab dem 16. August geht Aida davon aus, dass sie stattfinden können, hatte ein Sprecher am Wochenende gesagt.
Unterdessen wurde am Montag in Kiel am Ostseekai «Mein Schiff 1» von Tui Cruises abgefertigt. Die Reise bis zum Freitag führt zum Oslofjord und besteht nur aus Seetagen.
Vor der Corona-Krise zählten Kreuzfahrten zu den Wachstumstreibern im Tourismus. Dem Branchenverband CLIA zufolge stiegen die jährlichen Passagierzahlen im Kreuzfahrtmarkt von 2009 bis 2019 weltweit von 17,8 Millionen auf 30 Millionen. Für dieses Jahr war ursprünglich ein deutlicher Anstieg auf 32 Millionen Reisende erwartet worden, auch wenn Kreuzfahrten inzwischen als Inbegriff des Übertourismus gelten, dessen Folgen immer kritischer bewertet werden. Durch die weltweiten Lockdown-Massnahmen zur Eindämmung des Virus kam das Geschäft komplett zum Erliegen. Ende Juli wagten sich grosse Kreuzfahrtreedereien wieder an den Markt.