Lockdown-Trend Eisbaden: Heilsversprechen oder Risiko?

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Deutschland,

Was tun im Lockdown - und das auch noch im Winter? Ein internetwirksamer Trend scheint in Deutschland immer mehr Anhänger zu finden. Allerdings ist die Sache nicht ganz ungefährlich.

Der Winterschwimm-Verein in Rostock verzeichnete im Corona-Jahr 2020 einen deutlichen Mitgliederzulauf im Vergleich zu den Vorjahren. Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa
Der Winterschwimm-Verein in Rostock verzeichnete im Corona-Jahr 2020 einen deutlichen Mitgliederzulauf im Vergleich zu den Vorjahren. Foto: Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Ob Model Eva Padberg (41), Ex-«Bild»-Chefredakteur Kai Diekmann (56) oder Handballspieler Silvio Heinevetter (36): Viele Menschen haben das Eis- oder Winterbaden für sich entdeckt.

Bei eisigen Temperaturen ins Wasser zu gehen, scheint für einige Leute gerade in Zeiten des Corona-Lockdowns eine Medizin geworden zu sein. Ob an Nord- und Ostsee, am Starnberger See oder an der Isar in München - vielerorts sieht man auf einmal Menschen im kalten Wasser johlen, mit Pudelmütze, ganz nackt oder im Bikini.

Kai Diekmann bezeichnete es auf Instagram als Vergnügen, bei drei Grad Wasser- und einem Grad Lufttemperatur an einem Sonntagmorgen im Potsdamer Jungfernsee zu schwimmen. Silvio Heinevetter zeigte sich zum Jahreswechsel, wie er nur mit Badeshorts bekleidet aus dem Berliner Schlachtensee stieg. Seinen Instagram-Followern wünschte er lakonisch ein «gesundes neues Jahr, ihr Warmduscher».

Das war allerdings noch vor der Polarkälte der vergangenen Tage, die viele Gewässer in Deutschland zufrieren liess. Eva Padberg präsentierte sich schliesslich beim Eisbad irgendwo in der Uckermark und schrieb stolz bei Instagram, es sei viel erträglicher als gedacht. Auf einem Foto war sie im eiskalten Wasser in einem Loch in einem ansonsten zugefrorenen See zu sehen.

Dass jedoch vor allem beim Bad in vereisten Gewässern Vorsicht geboten ist, zeigte sich dieser Tage in Berlin. Dort starb ein Mann, nachdem er mit mehreren Begleitern in den vereisten «Karpfenteich» im Treptower Park gestiegen und plötzlich verschwunden war. Erst zweieinhalb Stunden später fanden Rettungstaucher den vermissten 43-Jährigen, der in dem eisigen Wasser nur eine Badehose trug. Der Mann wurde reanimiert und stark unterkühlt in ein Krankenhaus gebracht - doch er überlebte nicht. «Das Baden im Eis ist lebensgefährlich», warnte die Feuerwehr.

Winterschwimmen und Eisbaden locken offensichtlich immer mehr Interessenten an. Zwar habe es bereits vor der Corona-Pandemie verstärkte Anfragen gegeben, sagt Jelena Bundesmann von den «Berliner Seehunden». Inzwischen sei der Verein aber von 60 auf mehr als 125 Mitglieder gewachsen und habe einen Aufnahmestopp erlassen. «Aber wir sehen auch, dass derzeit noch mehr Menschen ins kalte Wasser gehen. Das Interesse ist gestiegen. Vielleicht auch, weil die Freizeitmöglichkeiten eingeschränkt sind und die Menschen mehr Zeit haben und raus wollen.»

Eine Art Guru der Szene ist Wim Hof. Der niederländische Extremsportler alias «The Iceman» zeigt sich bei Instagram im Spagat im Schnee oder im Lotussitz auf zugefrorenen Seen, die Hände vorm Herz. Er sei kein Superheld, schreibt er über sich selbst, jeder könne so sein wie er. Dieses Versprechen hat Hof mittlerweile über 1,7 Millionen Follower und Unmengen an Nachahmern beschert.

Mit all dem nichts am Hut haben will Martin Beck, der zu einer Gruppe von Eisschwimmern im Münchner Umland gehört. «Ich will keine Rekorde, ich will keine Gurus, ich will kein Instagram», sagt Beck. Das ständige Wetteifern interessiert ihn nach eigener Darstellung nicht. «Ich will einfach nur ins Wasser, solange es guttut.» Wer es schaffe, ins Wasser zu gehen, habe schon genug erreicht. «Der ganze Tag ist dann superduper entspannt», sagt Beck. Statt wie zunächst nur zu dritt seien die Eisschwimmer bei ihren Ausflügen in die Isar und an die Seen im Münchner Umland nun im Schnitt zu fünft.

Auch Winterschwimm-Verein «Rostocker Seehunde» verzeichnete im Corona-Jahr 2020 einen «riesigen Mitgliederzulauf» im Vergleich zu den Vorjahren. In Zahlen heisst das: «Jetzt haben wir endlich mal die 90 überschritten und bewegen uns auf die 100 zu», sagt der Vereinsvorsitzende Dietmar Marquardt.

Für das während der Pandemie gestiegene Interesse an dem Sport, den er bereits seit über 40 Jahren betreibt, hat Marquardt eine Theorie: «Es ist auf jeden Fall ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein.» Für Vereinszuwachs sorge zudem der Gedanke an eine Gemeinschaft - auch wenn derzeit nur in Zweiergruppen in der Ostsee gebadet werde.

Auch Jelena Bundesmann von den «Berliner Seehunden» sagt, dass das Gesundheitsbewusstsein eine Rolle spiele. «Manche sagen, das Eisbaden tue ihnen gut, sie hätten weniger Erkältungen und seien besser durchblutet. Oder es hilft gegen Rückenschmerzen.»

Bundesmann rät Anfängern, langsam mit der Gewöhnung an das kalte bis eiskalte Wasser zu beginnen und vorsichtig zu sein: «Nicht alleine schwimmen, in flach abfallendes Wasser und nicht direkt ins ganz Tiefe reingehen, nicht ohne Sicherung in Löchern im Eis baden.» Anfangs sei Eisbaden im Stehen oder Sitzen besser als minutenlanges Eisschwimmen. Neopren-Schuhe, eine Mütze und warme Kleidung zum schnellen Anziehen danach seien ausserdem nützlich.

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) registriert bisher keine gestiegene Zahl an Einsätzen wegen des Wintersports. Worauf man trotzdem achten sollte, erklärt Tobias Uhing, Landesarzt der DLRG Bayern: «Grundsätzlich ist zu empfehlen, vor dem Eisbaden mit dem Hausarzt zu sprechen.» Besonders Menschen mit Herz-Kreislauf- und Gefässerkrankungen müssten im Zweifelsfall auf den Trend verzichten.

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