Millionenbusse gegen Notebooksbilliger.de
Die Datenschutz-Grundverordnung enthält enge Vorgaben dazu, wann Videoaufzeichnungen von Mitarbeitern in Unternehmen erlaubt sind. Im Fall des Händlers Notebooksbilliger.de soll es teils nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Doch die Firma hält dagegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Elektronikhändler Notebooksbilliger.de soll wegen unzulässiger Videoüberwachung von Mitarbeitern 10,4 Millionen Euro Bussgeld zahlen.
Niedersachsens Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel teilte am Freitag mit, die Praxis des Unternehmens mit Hauptsitz in Sarstedt bei Hannover sei ohne Rechtsgrundlage über mindestens zwei Jahre gelaufen. Kameras hätten dabei Arbeitsplätze und Aufenthaltsbereiche des Personals sowie Lager und Verkaufsräume erfasst. Auch Kunden seien auf Aufnahmen in Wartebereichen zu sehen.
Notebooksbilliger.de wies die Vorwürfe zurück und legte Einspruch gegen den Bussgeldbescheid ein. Auch der IT-Branchenverband Bitkom reagierte mit scharfer Kritik. Nach Angaben Thiels handelt es sich um die höchste verhängte Summe in ihrem Bereich bei solch einem Verstoss seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Die Firma habe die Videokontrolle inzwischen zwar «rechtmässig ausgestaltet». Die Argumentation von Notebooksbilliger.de, man habe mit dem bisherigen System den Warenfluss verfolgen oder möglichen Diebstählen vorbeugen wollen, greife aus ihrer Sicht aber nicht, so Thiel: Die Massnahme sei weder auf einen engeren Zeitraum noch auf konkrete Beschäftigte oder Verdachtsfälle bei Straftaten begrenzt worden. Vor umfassenderen Schritten müssten zudem immer erst «mildere Mittel» wie Taschenkontrollen erwogen werden. Neben Online-Kanälen betreibt Notebooksbiliger.de auch stationäre Geschäfte. Etliche Aufnahmen sollen länger als zwei Monate gespeichert worden sein.
«Videoüberwachung ist ein besonders intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, da damit theoretisch das gesamte Verhalten eines Menschen beobachtet und analysiert werden kann», meinte die niedersächsische Datenschutzbeauftragte. «Die Beschäftigten müssen ihre Persönlichkeitsrechte nicht aufgeben, nur weil ihr Arbeitgeber sie unter Generalverdacht steht.» Thiel berief sich auch auf Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Im konkreten Fall sollen überdies Kunden teils miterfasst worden sein, etwa in «Sitzbereichen, die offensichtlich zum längeren Verweilen einladen sollen».
Notebooksbilliger.de hält sowohl die Begründung als auch das Bussgeld selbst für deutlich überzogen. Dessen Höhe stehe «in keiner Relation zur Grösse und Finanzkraft des Unternehmens sowie zur Schwere des angeblichen Verstosses», liess Chef Oliver Hellmold mitteilen. «Bei verschwundener oder beschädigter Ware werden die gespeicherten Aufzeichnungen allenfalls nachträglich auf Hinweise untersucht. Dieses Vorgehen ist bei Versand- und Logistikunternehmen Standard.»
Der Bussgeldbescheid müsse aufgehoben werden, forderte Hellmold. Zudem habe sein Unternehmen bereits «eng kooperiert, um eine vollständige Compliance mit der DSGVO auch aus Sicht der Behörde sicherzustellen». Es habe auch das Angebot an Thiel gegeben, sich das System anzusehen. Dass Notebooksbilliger.de seine Beschäftigten gezielt per Kamera beaufsichtigen solle, komme einer «haltlosen Unterstellung» gleich: «Zu keinem Zeitpunkt war das Videosystem darauf ausgerichtet, das Verhalten der Mitarbeiter oder deren Leistungen zu überwachen.» Die Firma lässt sich nun von spezialisierten Anwälten vertreten.
Der IT-Branchenverband Bitkom sieht das Bussgeld ebenfalls kritisch. 10,4 Millionen Euro seien «nach allem, was sich derzeit sagen lässt, absolut unverhältnismässig», meinte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Die Kooperationsbereitschaft des Unternehmens müsse mehr gewürdigt werden - und auch bei der Höhe sei «mehr Augenmass» nötig. Anstatt am Umsatz sei eine Orientierung am Gewinn sinnvoller, sonst könne dieser «Konstruktionsfehler» kleinere Firmen überlasten.
René Sandor, Experte für Datenschutzrecht bei der Wirtschaftskanzlei CMS, erklärte, grundsätzlich dürften Arbeitgeber ihre Beschäftigten «nicht ins Blaue hinein» beobachten. «Das gilt vor allem für Rückzugsbereiche wie Aufenthaltsräume. Die Videoüberwachung darf erst recht nicht vorsorglich zur Abschreckung eingesetzt werden, denn das würde die Vertrauensbasis im Arbeitsverhältnis untergraben.»