Mit dieser Masche versuchen Ukrainer, dem Kriegseinsatz zu entkommen
Um der Wehrpflicht zu entkommen, lassen sich Ukrainer einiges einfallen. Jetzt sollen sie dabei gar auf gefälschte Vormundschaften für Kinder zurückgreifen.
Das Wichtigste in Kürze
- Männer in der Ukraine nutzen Sorgerechtsstreitigkeiten, um dem Kriegsdienst zu entkommen.
- Die Anträge von Männern auf alleiniges Sorgerecht haben explosionsartig zugenommen.
- Bei vielen dieser Sorgerechtsentscheidungen besteht erheblicher Verdacht auf Korruption.
Die Ukraine kämpft seit Monaten mit Mobilisierungsproblemen: Diesbezügliche Skandale werden in regelmässigen Abständen aufgedeckt. Versuche, strengere Gesetze zur Wehrpflicht durch das Parlament zu bringen, sind bisher gescheitert.
Nun berichtet der ukrainische «Kyiv Independent» über eine neue Masche, um dem Kriegsdienst zu entkommen: Ukrainische Männer versuchen nach einer Scheidung, die alleinige Vormundschaft für ihre minderjährigen Kinder zu erlangen. Denn auf diese Weise könnten sie ihrer Einberufung zum Militärdienst entgehen.
Vermehrte Anträge auf alleinige Vormundschaft
Im Juli wandte sich der Anwalt einer Militäreinheit an das Medienunternehmen NGL Media: Mehrere Soldaten aus seiner Einheit hatten ihren Austritt erklärt. Als Grund gaben sie an, dass sie nach ihrer Scheidung die einzigen Erziehungsberechtigten ihrer minderjährigen Kinder seien.
Dies liess den Anwalt aufhorchen – NGL Media begann, Nachforschungen anzustellen. Sie untersuchten über 30'000 Vormundschaftsstreitigkeiten der letzten zwei Jahre. Das Resultat verblüfft: Immer mehr Männer in der Ukraine leiten entsprechende Verfahren ein.
Vor dem Krieg hatten Familien diese Angelegenheiten oft intern geregelt. Den Rechtsweg wiederum hatten meist Frauen beschritten. Im Jahr 2019 gab es nur 133 Entscheidungen zugunsten der Väter. Im Jahr 2022 waren es bereits 859 und im vergangenen Jahr sogar 2708!
Verdacht auf Korruption
Besonders auffällig: Ein Drittel dieser Sorgerechtsentscheidungen wurde von einem Gericht in einer kleinen Stadt etwa 80 Kilometer von Odessa getroffen. Klagen aus dem ganzen Land wurden dort eingereicht und die Korruptionsbehörden wurden aufmerksam.
Anwälte, Vermittler und vier Richter stehen nun unter Verdacht: Sie sollen Profit aus dieser Situation gezogen haben. Gemäss «Kyiv Independent» sollen die ukrainischen Männer pro Fall 3500 US-Dollar bezahlt haben.
Die Summe wurde als Teil des Anwaltshonorars deklariert und soll dann an die Richter weitergeleitet worden sein. Durch dieses System sollen allein im letzten Jahr rund drei Millionen Dollar an das kleine Gericht geflossen sein.