Mr. Brexit auf Europatour

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Frankreich,

Der britische Premierminister Boris Johnson besucht Berlin und Paris. Per Brief schickt er eine Forderung voraus, die als unerfüllbar gilt: Die Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland müsse aus dem Brexit-Vertrag verschwinden.

Galt als Zugpferd der Brexit-Kampagne vor dem Referendum im Jahr 2016: Grossbritanniens heutiger Premier Boris Johnson. Foto: Frank Augstein/AP
Galt als Zugpferd der Brexit-Kampagne vor dem Referendum im Jahr 2016: Grossbritanniens heutiger Premier Boris Johnson. Foto: Frank Augstein/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Kaum ein anderer Politiker wird so sehr mit dem Brexit in Verbindung gebracht wie Boris Johnson.

Er galt als Zugpferd der Brexit-Kampagne vor dem Referendum im Jahr 2016 und war massgeblich daran beteiligt, seine Vorgängerin Theresa May zu stürzen. Nun tritt Mr. Brexit seine ersten Reisen als britischer Premierminister nach Berlin und Paris an.

Wenn Johnson am Mittwoch ins Kanzleramt kommt, dürfte es kein einfaches Gespräch zwischen Angela Merkel (CDU) und ihm werden. Hier die Frau, die seit Jahren davor warnt, dass Europa angesichts weltweiter Krisen und eines US-Präsidenten, der auf Protektion und Nationalismus setzt, nur gemeinsam international stark sein könnte. Und ihr gegenüber ein Premierminister, der sein Land unbedingt aus der EU führen will und die bisherigen europäischen Partner beim Brexit mit der Drohung eines ungeregelten Brexit unter Druck setzt.

Im Mittelpunkt des Treffens dürfte die jüngste Volte des Briten stehen. Am Montagabend hatte er in einem Brief an EU-Ratschef Donald Tusk die Streichung der von der EU verlangten Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland gefordert. Merkel ist schon lange klar, dass der sogenannte Backstop der Knackpunkt in den Brexit-Gesprächen ist. Bislang hat sie Neuverhandlungen oder Änderungen am Austrittsvertrag wie die gesamte restliche EU strikt abgelehnt.

Und es gibt Zweifel, ob Johnson tatsächlich glaubt, mit seiner Maximalforderung Erfolg haben zu können. Antidemokratisch und unvereinbar mit der Souveränität seines Landes sei der Backstop, wetterte Johnson in dem Schreiben. Ausserdem gefährde die Regelung das Karfreitagsabkommen. Beobachter vermuten angesichts der Wortwahl, Johnson habe es eher auf ein «Feuerwerk» als auf eine Annäherung mit den EU-Partnern abgesehen.

Es ist kein Geheimnis, dass eine baldige Parlamentswahl in Grossbritannien unausweichlich ist. Johnsons hat im britischen Unterhaus nur noch eine Mehrheit von einer Stimme. Ob er sich mit seiner Drohung, das Land notfalls ohne Abkommen aus der EU zu führen, im Parlament durchsetzen könnte, ist umstritten. Seine Reisen nach Berlin und Paris werden daher vor allem als Teil einer Wahlkampfkampagne verstanden. Johnson könnte versuchen, sich als derjenige darzustellen, der den Willen des Volkes mit aller Macht umsetzen möchte, aber von unnachgiebigen EU-Politikern und europafreundlichen Parlamentariern sabotiert wird.

Dass Merkel am Mittwochabend im Alleingang eine Kursänderung andeutet, gilt als ausgeschlossen. Doch dass sie dem britischen Premier in die Hände spielen wird, ist auch unwahrscheinlich. Ob die Kanzlerin irgendeine Art von Entgegenkommen auch nur andeutet? Immer wieder hat sie betont, dass ein Ausstieg Grossbritanniens aus der EU ohne Abkommen die denkbar schlechteste Lösung sei - aber Deutschland auch auf diesen Fall vorbereitet sei.

Selbst wenn die Fronten festgefahren scheinen: Als internationale Stärke Merkels gilt, dass sie dennoch immer auf Gespräche setzt. Natürlich sei das Treffen sinnvoll, hatte ihr Regierungssprecher Steffen Seibert erst am Freitag betont. Die Kanzlerin und der neue Premierminister hätten zwar bereits einmal miteinander telefoniert. «Aber sich gemeinsam hinzusetzen, um über das Thema des Brexits und über andere europäische Themen, die uns verbinden, zu sprechen, ist natürlich sinnvoll.»

Sollte Johnson die Konfrontation suchen, dürfte er in Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron einen weitaus willigeren Sparringspartner haben. Macron lud den exzentrischen Premier aus London zwar schon im Juli nach Frankreich ein. Doch im Poker um den britischen EU-Austritt gilt der 41 Jahre alte Herr des Élysée-Palastes als Hardliner. Er sprach sich mehrfach gegen einen langen Aufschub des Brexits aus und will keine Veränderungen im vereinbarten Austrittsvertrag hinnehmen.

Gleichzeitig gibt Macron immer wieder zu verstehen, dass die beiden europäischen Vetomächte im UN-Sicherheitsrat auch nach dem Brexit zusammenarbeiten werden. Themen in Paris sind am Donnerstag deshalb auch der G7-Gipfel, der am Samstag im französischen Badeort Biarritz beginnt, die Iran-Krise und der Syrien-Konflikt.

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