Niedrigwasser sorgte für Probleme bei deutschen Schiffen
Das Niedrigwasser im Rhein bringt die Binnenschiffer ins Schlingern. Der weiterhin sinkende Pegel hat Folgen auf die Wirtschaft.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Wasserpegel im Rhein sinkt weiter und hat Folgen für die Fahrten der Frachtschiffe.
- Entscheidend für die Rheinschifffahrt ist der Pegelstand Kaub nahe dem Loreley-Felsen.
Im Rhein zeigt ein Leitpegel den immer tiefer sinkenden Wasserspiegel. Dies erzwingt stetig kleinere Schiffsladungen - mit Folgen für die Wirtschaft.
Das weiter sinkende Niedrigwasser der Flüsse im trockenen Hochsommer bringt die Binnenschifffahrt ins Schlingern. Das kann in Zeiten von ohnehin gestörten Lieferketten weitreichende Folgen für die Wirtschaft haben.
Man hat Sorge, dass sich für einen Teil der Frachtschiffe die Fahrt auf dem Mittelrhein bald gar nicht mehr lohnt. Schliesslich können sie wegen der Gefahr der Grundberührung immer weniger laden, wie der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) mitteilt. Entscheidend ist der Pegelstand Kaub nahe dem Loreley-Felsen im Unesco-Welterbe Oberes Mittelrheintal als niedriges Nadelöhr der gesamten Rheinschifffahrt.
Wie sieht die Niedrigwasser-Lage hier aktuell aus?
«Die Schiffe sind derzeit auf dem gesamten Rhein mit weniger als der Hälfte der üblichen Ladungsmengen unterwegs. Am Mittelrhein teilweise nur noch mit circa einem Drittel.» So teilt es die Wasserstrassen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes mit.
Der Leitpegel Kaub zeigt am Freitagmorgen nur noch 42 Zentimetern an. Die Fahrinnentiefe bei Kaub gibt die WSV am Freitagmorgen mit 1,54 Zentimetern an. Wobei Frachter laut dem BDB 20 Zentimeter Sicherheitsabstand zwischen Kiel und Flusssohle brauchen. Die WSA erwartet einen weiteren Fall des Wasserstands um 10 bis 15 Zentimeter und dann einen leichten, nicht «signifikanten» Anstieg.
Es ist in diesem Jahr ungewöhnlich früh gekommen. Im Dürrejahr 2018 war der Pegelstand bei Kaub erst am 22. Oktober auf seinen Rekordwert von 25 Zentimeter gesunken. Viel Zeit nun also noch für eine mögliche Unterbietung dieses Niveaus vor den Herbst- und Winterniederschlägen.
Wann genau lohnt sich die Binnenschifffahrt nicht mehr?
Bei Hochwasser können Behörden die Binnenschifffahrt verbieten. «Der Wellenschlag kann sonst zum Beispiel Brücken beschädigen», erklärt BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen. Bei Niedrigwasser dagegen gibt es keine Verbote. Reedereien entscheiden selbst, wie lange sich der Transport einer stark verringerten Ladung noch lohnt.
Wenn ein Auftraggeber genug zahle, würden notfalls auch nur wenige hundert Tonnen mit einem 110-Meter-Frachter transportiert. Der Frachter könne normal bis zu 3000 Tonnen befördern. Ohnehin müssen Frachtkunden bei Niedrigwasser je nach Pegelstand und Vertrag zusätzlich einen sogenannten Kleinwasserzuschlag überweisen.
Wie ist die Nachfrage nach Schiffsraum?
Schwanen spricht von einem Gerangel in Zeiten von Ukraine-Krieg und Energiekrise: «Alle zerren an derselben Bettdecke.» Rund 2000 Güterbinnenschiffe seien in Deutschland registriert. Mehr als zehn hiesige Güterschiffe seien inzwischen auch nach Rumänien für die Untere Donau verkauft worden.
Lastwagen sind in Deutschland laut dem BDB-Chef wiederum kaum eine Alternative, «weil wir so viel grössere Mengen transportieren». Und auch Bahnunternehmen hätten bei starker Nachfrage längst zu wenige Waggons und Lokführer.
Der baden-württembergische FDP-Verkehrsexperte Christian Jung erklärt mit Blick aufs Niedrigwasser: «Die Kraftwerke am Rhein und die Ölraffinerie MiRO in Karlsruhe sitzen buchstäblich auf dem Trockenen.» Wo es möglich sei, müsse mit der Bahn angeliefert werden. «Dies führt wegen der völlig unterdimensionierten Schieneninfrastruktur zu deutlichen Verspätungen oder gar Zugausfällen im Fern- und Nahverkehr.»
Wie kann sich Niedrigwasser auf die Wirtschaft auswirken?
Der Ökonom Stefan Kooths vom Kiel Institut für Weltwirtschaft erläutert: «Berechnungen zu den Folgen des Niedrigwassers 2018 im Rhein zeigen, dass die Industrieproduktion um etwa ein Prozent abnimmt. Wenn die Pegelstände am Kaub die kritische Marke von 78 Zentimetern für einen Zeitraum von 30 Tagen unterschritten haben.»
In der Spitze sei die Industrieproduktion 2018 um etwa 1,5 Prozent gedrückt worden, erklärt Kooths. Auf Jahressicht dürfte das Niedrigwasser etwa 0,4 Prozent an Wirtschaftsleistung gekostet haben. «Allerdings ist die damalige Situation nicht eins zu eins auf heute übertragbar», erläutert der Wissenschaftler. So sei die «Fallhöhe» für die deutsche Industrieproduktion damals viel grösser gewesen.
Wie reagiert die auf Binnenschiffe angewiesene Chemieindustrie?
Die Branche hat entlang der Rhein-Schiene laut dem Branchenverband VCI aus dem extremen Niedrigwasser 2018 gelernt. Transportkonzepte seien angepasst und Lagerbestände aufgefüllt worden, berichtet Infrastrukturexperte Tilman Benzing.
Transporte seien aktuell bereits auf Strasse und Schiene verlagert worden - mit Problemen. «Es fehlen Lkw-Fahrer, der Laderaum ist knapp und der Gütertransport mit der Bahn ist durch Baustellen sehr angespannt», berichtet Benzing.