Ökostrom-Ausbau: Druck ist riesig, Verhandlungen hart
Windräder und Solaranlagen sollen Atomkraft und Kohle ersetzen. Seit eineinhalb Jahren streiten Union und SPD darüber, wie das am besten geht. Am Donnerstag soll der Durchbruch gelingen. Es geht um Strom, Klimaschutz und Jobs - und um 1000 Meter.
Das Wichtigste in Kürze
- Kommt der 1000-Meter-Mindestabstand zwischen Windrädern und Wohnhäusern? An diesem Donnerstag sollen Bund und Länder für Bürger und Energiebranche eigentlich Klarheit schaffen.
Doch die Verhandlungen vor der Ministerpräsidenten-Konferenz in Berlin über einen schnelleren Ausbau von Windrädern und Solaranlagen liefen nach Angaben von Teilnehmern zäh, Ausgang offen. Umweltschützer und Industrie sowie Gewerkschaften und Energiebranche erhöhten in ungewöhnlichen Zusammenschlüssen den Druck.
Ein breites Bündnis rief Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die 16 Länderchefs auf, den Ökostrom-Ausbau zu beschleunigen. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) sowie mehrere Umwelt- und Energieverbände forderten, keine pauschalen Regeln für den Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern einzuführen. Der Förderdeckel für neue Solaranlagen müsse weg, weil die Fördergrenze fast erreicht sei und Investitionen und Kredite schon jetzt zurückgehalten würden. Bund und Länder müssten einen Mechanismus festlegen, der sicherstelle, dass der Ökostrom-Anteil bis 2030 wie geplant auf 65 Prozent steige.
Vor allem der Ausbau von Windkraft an Land lahmt - auch weil die Akzeptanz bei Anwohnern für neue Windparks fehlt. Was dagegen zu tun ist, ist zwischen Union und SPD heftig umstritten. Seit eineinhalb Jahren kommen die Verhandlungen kaum vom Fleck. Die Union setzte durch, dass eine Regelung zu 1000 Metern Mindestabstand zwischen Windrädern und Häusern kommen soll. Die Ausgestaltung ist aber offen.
In einem weiteren Brief an Union und SPD im Bundestag forderten unter anderem der Industrieverband BDI, die Energiegewerkschaft IG BCE, Konzerne wie BASF und Umweltverbände wie der WWF gemeinsam mehr Tempo beim Ausbau von Wind- und Solarstrom. SPD-Energiepolitiker warfen CDU und CSU vor, die Aufhebung des Solar-Förderdeckels an den Wind-Abstand zu knüpfen und damit Wind- und Solarenergie gegeneinander auszuspielen.
Zuletzt war das Ländetreffen am Donnerstag als Ziellinie für die Verhandlungen definiert worden. Die Zeit drängt, denn Atom- und Kohlekraftwerke sollen für den Umwelt- und Klimaschutz in den kommenden Jahren vom Netz gehen. Schon am Dienstag war bis spät in die Nacht verhandelt worden, am Mittwoch kamen wieder verschiedene Runden zusammen. Es wurde erneut mit Verhandlungen bis in den späten Abend gerechnet.
In einem neunseitigen Beschlussvorschlag für die Ministerpräsidenten vom Montagabend fehlten Wind-Abstandsregeln und Solarförderung - mit dem Hinweis, man gehe davon aus, dass diese «eilbedürftigen Punkte» vor dem Beschluss «geeint und beschlossen» würden. Weitere Themen sind etwa Planungs- und Genehmigungsverfahren für Stromleitungen und Ökostrom-Anlagen, Speicher oder Fördergeld für bestimmte Kraftwerke, die von Kohle auf Erdgas oder erneuerbare Energien umsteigen.
Die Leitung der Ministerpräsidentenkonferenz liegt bei Bayern - dem Land mit den strengsten Regeln für den Abstand zwischen Windrädern und Siedlungen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte der dpa, es gebe «de facto kein durchdachtes deutsches Energiekonzept». Ob es beim Windabstand einer einheitlichen Regelung bedürfe, halte er «eher für zweifelhaft». Söder sprach von «Zwangsbeglückung durch den Bund».
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte die Bundesregierung auf, bis Mitte 2020 ein Konzept für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland vorzulegen. Dem Politikjournal «Rundblick» sagte er, das Schneckentempo sei «frustrierend». Vor allem, aber nicht nur, in Norddeutschland ist die Windenergie ein wichtiger Wirtschaftszweig.