Fünf Jahre dauert der Konflikt in der Ostukraine nun schon. Genauso lange versuchen Deutschland und Frankreich zu vermitteln. Bisher waren alle Bemühungen ziemlich erfolglos. Das scheint aber kein Grund zu sein, es nicht immer wieder von Neuem zu versuchen.
Heiko Maas unterhält sich im Saal des Sicherheitsrates der UN mit Jean-Yves Le Drian, französischer Aussenminister. Gemeinsam wollen die beiden den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj treffen. Foto: Ralf Hirschberger
Heiko Maas unterhält sich im Saal des Sicherheitsrates der UN mit Jean-Yves Le Drian, französischer Aussenminister. Gemeinsam wollen die beiden den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj treffen. Foto: Ralf Hirschberger - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Deutschland, Frankreich und die Ukraine wollen den festgefahrenen Friedensprozess in der umkämpften Ostukraine wieder in Gang bringen.
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Die Aussenminister Heiko Maas und Jean-Yves Le Drian und der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigten sich bei einem Treffen in Kiew einig, dass sie die seit einem Jahr auf Eis liegenden Gespräche mit Russland darüber wieder in Gang bringen wollen. «Die wichtigste Priorität jedes Ukrainers ist: Die Einstellung des Feuers, das Ende des Krieges», sagte Selenskyj am Donnerstag.

Maas sprach von einem «ausserordentlich guten Gespräch» mit dem ukrainischen Präsidenten. Man werde weiter unter deutsch-französischer Vermittlung versuchen, Frieden in der Ostukraine zu schaffen. «Ich bin nach diesem Gespräch der Auffassung, das ist auch möglich.» Die beiden Minister veröffentlichten eine Erklärung, nach der nun die beteiligten Seiten - Frankreich, Deutschland, die Ukraine und Russland - möglichst rasch über die Bedingungen für ein neues Gipfeltreffen sprechen wollen.

Die Ostukraine ist seit 2014 zwischen prorussischen, von Moskau unterstützten Separatisten und Regierungstruppen umkämpft. Daran hat auch das in der weissrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelte Friedensabkommen nichts geändert. Deutschland und Frankreich versuchen seit Beginn des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland zu vermitteln. Das bislang letzte Aussenministertreffen in diesem Vierer-Format - auch Normandie-Format genannt - ist aber jetzt schon fast ein Jahr her, das letzte Gipfeltreffen war im Oktober 2016 in Berlin.

Man müsse die «Gunst der Stunde» nutzen, um die Gespräche wiederzubeleben mit dem Ziel, Frieden in der Ukraine zu erreichen, sagte Maas in Kiew. «Das haben die Menschen in der Ostukraine verdient, denn sie warten viel zu lange auf diesen Frieden.» Der Stillstand des Friedensprozesses könne nicht akzeptiert werden. «Es wird nach wie vor geschossen, es kommen Menschen ums Leben und damit wollen wir uns nicht abfinden.»

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron haben auch schon mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über eine Wiederbelebung des Friedensprozesses gesprochen. Maas betonte aber, es werde nicht einfach werden mit Russland. Das Angebot Putins, den Bewohnern der Ostukraine russische Pässe anzubieten, «ist sicherlich nicht hilfreich gewesen», sagte der Aussenminister. Für eine politische Lösung müsse «jeder Kompromissbereitschaft an den Tag legen». Das sei in den letzten Monaten bedauerlicherweise nicht mehr der Fall gewesen.

Maas setzte auch mit Blick auf ein anderes Problem ein klares Zeichen in Richtung Moskau. Er traf sich in Kiew mit Angehörigen der 24 von Russland inhaftierten ukrainischen Matrosen. «Wir wollen, dass die ukrainischen Seeleute sofort freigelassen werden», sagte er. Maas verwies darauf, dass ihre Inhaftierung auch nach einem Urteil des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg unrechtmässig sei.

Die Matrosen waren im vergangenen Jahr beim Versuch, aus dem Schwarzen Meer ins Asowsche Meer zu gelangen, von der russischen Küstenwache gewaltsam gestoppt und festgesetzt worden. Die Männer sitzen seitdem in Moskau im Gefängnis. Ihnen drohen bis zu sechs Jahre Haft. Russland wirft ihnen Grenzverletzung vor und hält das Gericht in Hamburg für nicht zuständig, weil es sich um einen militärischen Vorfall gehandelt habe.

Die Bereitschaft Selenskyjs zu neuen Friedensgesprächen schätzte Maas eher positiv ein. «Er hat den Frieden in der Ostukraine als eine seiner Prioritäten bezeichnet. Das ist auch unser Ziel und daran wollen wir zusammen mit ihm arbeiten.»

Der frühere Komiker Selensky hat aber ein machtpolitisches Problem: Im Parlament, das Entscheidungen für eine Konfliktlösung absegnen müsste, ist seine Partei bisher nicht vertreten. Russland nimmt ihn deshalb bisher kaum ernst. Zwar hat Putin bereits mit Merkel und Macron über die Ukraine und über Selenskyj gesprochen. Mit dem ukrainischen Präsidenten selbst sprach Putin bisher aber nicht - und hat ihm im übrigen nicht einmal zur Wahl gratuliert.

Ohne eigene Parlamentsmehrheit kann Selenskyj kaum den Minsker Friedensprozess aus der Sackgasse holen. Zwar hat er als Oberkommandierender der Streitkräfte die Befehlsgewalt über die Armee und damit über die Waffenruhe und den Abzug schwerer Waffen als erstem Schritt. Doch kann er weder die im Friedensplan festgeschriebenen Verfassungsänderungen für eine Autonomie der Separatistenregion noch ein Ende der Wirtschaftsblockade durchsetzen.

Auch deshalb löste Selenskyj in seiner Antrittsrede das Parlament auf, das trotzdem weiter tagt und den Präsidenten blockiert. So wiesen die Abgeordneten etwa am Donnerstag die von Selenskyj gewünschte Entlassung des Regierungschefs zurück.

Bei Neuwahlen am 21. Juli hofft Selenskyj auf einen triumphalen Einzug seiner Partei Diener des Volkes - im Original Sluha Narodu -, benannt nach der Fernsehserie, in der er jahrelang einen Präsidenten gespielt hatte. Nach Umfragen kann die Partei darauf hoffen, stärkste Kraft zu werden. Erst dann könnte der Weg frei werden, Reformen in dem Land durchzusetzen.

Aus russischer Sicht ist der Juli-Termin auch der nächste, um zu schauen, was dann an Lösungen möglich ist. Die Bereitschaft zu einem neuen Normandie-Treffen hat Moskau stets betont. Kremlsprecher Dmitri Peskow machte aber zuletzt auch deutlich, dass solche Treffen gut vorbereitet werden müssten mit konkreten Zielen. «Natürlich ist niemand ein Anhänger davon, ein Treffen nur um seiner selbst willen abzuhalten», sagte Peskow.

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