Der deutsche Protest gegen die AfD und Rechtsextremismus im Allgemeinen ebbt nicht ab. Auch am Sonntag gingen landesweit viele Menschen auf die Strasse.
Demonstration Demmin Anti-AfD
Auch in Demmin gingen am Sonntag Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Strasse. - keystone

Einige Hunderttausend Menschen haben am Wochenende erneut in ganz Deutschland gegen rechts und die AfD demonstriert. Damit verzeichnen die bundesweiten Aktionen auch rund zwei Wochen nach ihrem Beginn grossen Zulauf. Allein in Düsseldorf waren laut Polizei am Samstag etwa 100 000 Menschen auf den Beinen.

Für diesen Sonntag waren weitere Demos geplant – in Hamburg versammelten sich am Nachmittag nach ersten Angaben Tausende Menschen. Vollständige bundesweite Teilnehmerzahlen lagen zunächst nicht vor.

Hochrangige Politiker vor Ort

Vielerorts wurden die Veranstaltungen von Politikern unterstützt. In Sigmaringen war Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) privat dabei, in Aachen demonstrierten Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

In Sachsen-Anhalt ging der dortige Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in Wittenberg mit auf die Strasse. In Osnabrück warnte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bei einer Kundgebung vor der AfD.

Die Polizei sprach von rund 25 000 Demo-Teilnehmern in Osnabrück, die Organisatoren bezifferten die Zahl auf rund 30 000. Pistorius sagte, die AfD wolle den Systemwechsel. «Das heisst nichts anderes als, sie wollen zurück in die dunklen Zeiten des Rassenwahns, der Diskriminierung, der Ungleichheit und des Unrechts.»

Er zog einen Vergleich mit der Weimarer Republik, die nicht an ihren Feinden, sondern an der Schwäche ihrer Freunde zugrunde gegangen sei. «Heute wissen wir es besser, Geschichte darf sich nicht wiederholen.»

«Nie wieder werdet ihr in der Mehrheit sein!»

In Düsseldorf stand die Demonstration unter dem Motto «Gegen die AfD – Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln!» Unter den Protestierenden waren Menschen jeden Alters, darunter viele Familien mit Kindern. Auf den Transparenten standen Aufschriften wie «Ich mag Nazis generell nicht» und «Nicht nochmal!»

Ein 69-Jähriger, der nach eigenen Worten erstmals seit Jahrzehnten wieder bei einer Demo mitlief, sagte: «Wenn wir jetzt nicht Flagge zeigen, gehen wir in eine Richtung, aus der wir nicht mehr rauskommen.»

Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) sagte bei der Abschlusskundgebung, um 1930 seien die Gefahren für die erste deutsche Demokratie unterschätzt worden. «Das darf uns nicht noch einmal passieren», mahnte er. «Den Extremisten rufen wir zu: Nie wieder werdet ihr in der Mehrheit sein!»

Demos von Lübeck bis Singen

In Kiel zählte die Polizei rund 11 500 Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. «Unsere Demokratie ist stabiler als die Demokratie vor 100 Jahren, aber seien wir uns nicht zu sicher», sagte Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD). In Lübeck gab es laut Polizei rund 8000 Demonstranten, in Kaiserslautern rund 6000, in Mannheim bis zu 20 000. In Aachen waren es nach Angaben der Beamten etwa 20 000 Menschen, in Marburg mehr als 12 000.

Aber auch in kleineren Orten waren die Menschen auf den Strassen, eine Auswahl: In Singen zählte die Polizei etwa 4000 Demonstranten, in Sigmaringen waren es rund 2000 Menschen. In Neumarkt in der Oberpfalz sprachen die Beamten von rund 1500 Menschen bei einer Demo gegen rechts in Elmshorn von rund 6000 Menschen. Im Osten Deutschlands stachen Frankfurt/Oder (rund 4500 Menschen), Bautzen (rund 1500 Menschen) und Weimar (mindestens 1500 Menschen) heraus.

Massendemos stören AfD-Narrative

Der Soziologe Matthias Quent sagte dem Portal tagesschau.de, die AfD sei durch die andauernden Proteste tief verunsichert. «Die extreme Rechte ist regelrecht in Panik», so der Rechtsextremismus-Experte.

Die Bilder von den Massendemonstrationen stellten den Nimbus infrage, die AfD sei «die Partei des Volkes». Es werde versucht, diese Demonstrationen als Fälschungen und als Inszenierungen infrage zu stellen. «Aber so richtig dringen diese Narrative nicht durch.»

Umfragen: AfD verliert an Zuspruch

In Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im September neue Landtage gewählt. Umfragen zufolge könnte die AfD in allen drei Bundesländern stärkste Kraft werden, mit deutlichem Abstand. In zwei bundesweiten Umfragen der Institute Insa und Forsa (für die «Bild am Sonntag» und für RTL/ntv) verlor die AfD zuletzt an Zuspruch, sie blieb mit 21 beziehungsweise 20 Prozent aber nach der Union die zweitstärkste Kraft.

Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet, bundesweit ist sie als Verdachtsfall eingestuft.

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