Lukaschenko geht wieder hart gegen Demonstranten vor
Das Wichtigste in Kürze
- Nach der Amtseinführung des umstrittenen Staatschefs Alexander Lukaschenko in Belarus (Weissrussland) haben die Behörden mit Gewalt auf erneute regierungskritische Proteste reagiert.
Nach Angaben des Innenministeriums wurden 364 Menschen festgenommen.
Allein in Minsk habe es 254 Festnahmen gegeben, teilte die Behörde mit. Auch in Grodno, Gomel, Borissow und anderen Städten kamen dem Menschenrechtszentrum Wesna (Spring96) zufolge Demonstranten in Gewahrsam. Die Opposition kündigte dennoch bereits weitere Demonstrationen an. Besonders am Wochenende werden Massenproteste erwartet, darunter ein Protestmarsch der Frauen am Samstag und Grossdemonstrationen am Sonntag in Minsk und anderen Städten.
Am Mittwochabend kam es in vielen Städten in Belarus zu Protesten, an denen Tausende Menschen teilnahmen. Maskierte Uniformierte gingen teils auch mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor. Es gab Verletzte, die von anderen versorgt wurden. Menschen vor Ort erzählten, dass sie Schüsse in Minsk gehört hätten. Berichten zufolge setzten die Sicherheitskräfte zudem Tränengas ein. Auch Polizisten seien verletzt worden, teilte das Innenministerium mit. Die Demonstranten hätten Steine und andere Gegenstände geworfen. Generalstaatsanwalt Andrej Schwed kündigte Strafen für die Organisatoren an.
Die Vereidigung sorgte auch international für massive Kritik. Die EU verurteilte die Amtseinführung scharf. Der Schritt stehe im direkten Widerspruch zum Willen grosser Teile der belarussischen Bevölkerung, teilte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag mit. Der «sogenannten Amtseinführung» fehle es wegen der Fälschung der Wahlergebnisse an jeglicher demokratischer Legitimation und sie sorge nur für eine weitere Vertiefung der politischen Krise in Belarus. Bei Protesten gegen die Amtseinführung waren Hunderte Menschen brutal festgenommen worden.
«Die Haltung der Europäischen Union ist klar: Die belarussischen Bürger haben das Recht, durch diejenigen Personen vertreten zu werden, die durch neue inklusive transparente und glaubwürdige Wahlen bestimmt werden», so Borrell. Brüssel stehe an der Seite des belarussischen Volkes, das trotz brutaler Unterdrückung durch die Behörden weiterhin friedlich für Demokratie und seine Grundrechte demonstriere. Auch Grossbritanniens Aussenminister Dominic Raab kündigte Sanktionen an.
Der 66-jährige Lukaschenko hatte sich am Mittwochmorgen ohne vorherige Ankündigung zum sechsten Mal in dem Amt vereidigen lassen. Die Bevölkerung bekam erst etwas von dem Staatsakt mit, als in Minsk die grossen Strassen gesperrt wurden. Seine Gegner warfen dem als «letzten Diktator Europas» verschrienen Politiker vor, die Amtseinführung wie eine Geheimoperation durchgezogen zu haben.
Die EU unterstützt die Demokratiebewegung mit der früheren Kandidatin Swetlana Tichanowskaja an der Spitze. Die Oppositionelle erklärte die Amtseinführung für ungültig. Lukaschenko sei abgewählt worden und habe daher keinen Auftrag des Volkes mehr, das Land zu regieren, sagte sie.
Lukaschenko hatte sich bei der von massiven Manipulationen überschatteten Wahl im August mit 80,1 Prozent der Stimmen zum Sieger erklären lassen - nach 26 Jahren an der Macht. Russland hatte ihm zum Sieg gratuliert.
Der Machthaber wies die EU-Kritik scharf zurück. «Wir haben niemanden gebeten, unsere Wahlen anzuerkennen oder nicht anzuerkennen, oder die Legitimität des gewählten Präsidenten zu bewerten», sagte er bei einem Treffen mit dem chinesischen Botschafter in Minsk. Kein Staat müsse vorab über eine Amtseinführung oder ähnliche Veranstaltungen informiert werden. «Das ist eine interne Angelegenheit unseres Landes», sagte er.
Litauens Aussenminister Linas Linkevicius betonte, dass es nicht ausreiche, nur das Vorgehen zu verurteilen und Empörung zum Ausdruck zu bringen. «Wir müssen den Opfern der Repressionen helfen.» Die EU sollte den Opfer von Repressionen helfen. «Sanktionen sind nicht genug. Diejenigen, die Verbrechen begangen haben, müssen strafrechtlich verfolgt und zur Rechenschaft gezogen werden», sagte Linkevicius der Agentur BNS zufolge in Kaunas. «Wir müssen auch Menschen helfen, die heute leiden.»