Ringen um Impfstoffe: Exportstopp und Sputnik V?
Die EU exportiert Impfstoff, während er in Deutschland und Europa knapp ist. Die Bundesländer wollen das nicht länger hinnehmen. Und einige Regierungschefs schauen gen Osten.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Bundesländer fordern eine rasche Ausweitung der Corona-Impfstoffproduktion in Deutschland und machen sich für einen Exportstopp für solche Vakzine aus der EU stark.
«Ich bin sehr dafür, über einen Exportstopp nachzudenken», sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Donnerstag nach einer Video-Schalte der Länderchefs.
Niemand verstehe, dass in der EU nicht genug Impfstoff da sei, aber Vakzine aus Europa überall hin exportiert würden. Söder verwies auf wieder steigende Corona-Zahlen in Deutschland. «Wir müssen aufpassen, dass aus der dritten Welle keine Dauerwelle wird.» Dagegen helfe das Impfen als zentraler Faktor. «Die Wahrheit liegt eindeutig in der Impfdose.»
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, ein Ausbau der Produktionskapazitäten für Impfstoffe hierzulande sei wichtig, weil das Impfen der entscheidende Hebel gegen Corona sei. Und niemand wisse, ob in Zukunft nicht weitere Pandemien drohten, auf die Deutschland besser vorbereitet sein müsse.
«Ob das ein Exportstopp sein muss von heute auf morgen, das weiss ich nicht», so Müller, der Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Es gebe Verträge. «Aber es wird im Moment exportiert in Länder mit eigenen Produktionskapazitäten, die beim Impfen weiter sind als wir. Das muss man nicht verstehen.»
Müller und Söder, aber auch andere Ministerpräsidenten sprachen sich angesichts der Impfstoffknappheit für eine rasche Zulassung des russischen Vakzins Sputnik V aus. «Wir brauchen jeden Impfstoff, den wir kriegen können», sagte Müller.
Die Länderchefs hätten mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als Gast der Schalte darüber gesprochen, dass für das Vakzin wie für andere auch eine ordentliche Zulassung beantragt und diese geprüft werden müsse. «Aber selbstverständlich, wenn wir die Chance haben, auf diesen Impfstoff zurückgreifen zu können, selbstverständlich wollen und werden wir diese Chance dann auch ergreifen», so Müller.
Söder verwies darauf, dass Sputnik V allen Gutachten zufolge ein guter Impfstoff sei. «Zum Teil ein besserer als bereits zugelassene», fügte er hinzu. Daher sei es nun nicht angezeigt, bei der Prüfung des Vakzins «im klassischen bürokratischen Klein-Klein-Verfahren alles abzuarbeiten». Die zuständigen Behörden sollten den Stoff aus seiner Sicht vielmehr «schnell, effizient und zügig» zulassen. Die EU müsse zudem frühzeitig Kontakt herstellen mit den Herstellern des Vakzins. «Mein dringender Appell: Nicht wieder eine Chance verpassen.»
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Der Impfstoff sollte zugelassen werden.» Er habe keine Zweifel, dass die russische Wissenschaft imstande sei, einen leistungsfähigen Impfstoff herzustellen. Ähnlich sieht das Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU). «Im Kampf gegen Corona ist uns jeder Impfstoff willkommen, der sicher ist und wirkt und uns so hilft, die Pandemie zu überwinden», sagte er den Funke-Zeitungen. «Wenn es um die Gesundheit der Menschen geht, sollte die Herkunft keine Rolle spielen.»
Nach Einschätzung von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) muss «endlich das Thema Sputnik V mit Nachdruck bearbeitet» werden. Er selbst wolle seine Kanäle nach Russland nutzen, um dabei zu helfen, sagte er den Funke-Blättern. «Ich will keine politische Zulassung. Aber ich will auch keine politische Ablehnung.»