37 Menschen überleben die Brandkatastrophe nach einer Notlandung ihres Flugzeugs auf dem Moskauer Airport Scheremetjewo. Die Ermittler werten nun die Flugschreiber aus und gehen möglichen Ursachen nach. Auch der Pilot äussert sich zu den Umständen des Unglücks.
Blick auf das Wrack der Maschine des Typs Suchoi Superjet-100. Als die Maschine aufprallte, platzte nach ersten Erkenntnissen der Ermittler auch der voll befüllte Treibstofftank. Blitzschnell breitete sich das Feuer aus. Foto: Pavel Golovkin/AP
Blick auf das Wrack der Maschine des Typs Suchoi Superjet-100. Als die Maschine aufprallte, platzte nach ersten Erkenntnissen der Ermittler auch der voll befüllte Treibstofftank. Blitzschnell breitete sich das Feuer aus. Foto: Pavel Golovkin/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach der Flugzeugkatastrophe in Moskau gehen die Ermittler verschiedenen möglichen Ursachen für das Unglück mit 41 Toten nach.
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Untersucht werde, ob die Piloten und das technische Personal ausreichend qualifiziert gewesen seien, teilte das staatliche Ermittlungskomitee mit. Überlebende Passagiere hatten von einem Blitzeinschlag berichtet. Danach seien Teile der Technik an Bord ausgefallen, hiess es.

Viele Menschen wurden wegen Verbrennungen, Rauchvergiftungen und Brüchen in Krankenhäuser gebracht, wie Rettungskräfte berichteten. Gesundheitsministerin Veronika Skworzowa sagte, dass viele Überlebende unter Schock stünden. Psychologen kümmerten sich auch um die Hinterbliebenen, sagte sie. Das Unternehmen Aeroflot veröffentlichte eine Liste der 33 überlebenden Passagiere auf seiner Internetseite. Es überlebten auch vier Besatzungsmitglieder. Insgesamt waren demnach 78 Menschen an Bord. Je Todesopfer will Aeroflot 5 Millionen Rubel (rund 69.000 Euro) an die Hinterbliebenen zahlen.

Der Jet war am Sonntagabend kurz nach dem Start wegen technischer Probleme auf den Flughafen Moskau-Scheremetjewo zurückgekehrt. In russischen Medien sagte der Pilot der Unglücksmaschine, dass nach einem Blitzeinschlag die Funkverbindung zusammengebrochen sei. Er habe den Superjet dann im Havariemodus steuern müssen. Feuer gefangen habe das Flugzeug erst nach der Bruchlandung. Die Geschwindigkeit beim Aufsetzen sei «normal» gewesen, sagte der Pilot. Er wies damit Vermutungen zurück, die Maschine sei mit zu hohem Tempo im Anflug gewesen. Aeroflot hatte ihm eine grosse Erfahrung bescheinigt.

Beim Landeanflug prallte die Maschine mehrfach auf den Boden und ging in Flammen auf. Nach ersten Erkenntnissen wurde durch das Aufschlagen das Fahrwerk des Flugzeugs zerstört. Teile seien in den Tank geflogen. Weil die Maschine vor dem Flug nach Murmansk im Norden Russlands voll mit Treibstoff gefüllt war, brannten grosse Mengen Kerosin.

Nachgehen dürften Ermittler auch der Frage, warum - anders als üblich - nicht schon nach Einleiten des Landemanövers Treibstoffmengen abgelassen wurden. Auf Bildern von dem Wrack war zu sehen, dass der Superjet etwa zur Hälfte verkohlt war.

Nach Angaben der russischen Behörden konnten sich 37 Menschen retten, darunter die Piloten. Die Menschen entkamen über Notrutschen und rannten über das Flughafengelände. Unter den Todesopfern waren auch ein zwölfjähriges Mädchen und ein Mitglied der Crew, wie Ministerin Skworzowa sagte.

Bergungskräfte zogen heute die letzte Leiche aus dem Wrack. Es war das schwerste Flugzeugunglück auf einem Flughafen der russischen Hauptstadt seit Jahren. Scheremetjewo ist der grösste und am besten ausgestattete Airport des Landes.

Die Ermittler hoffen darauf, nach Auswertung der Flugschreiber Klarheit über den Grund der Notlandung zu bekommen. Das kann mehrere Tage dauern. Flugschreiber enthalten unter anderem Aufzeichnungen der Flugdaten und der Cockpitgespräche. Das ist für Ermittler sehr wichtig bei der Klärung der Unfallursache. Die sogenannten Blackboxes sind so robust gebaut, dass sie normalerweise auch ein Unglück überstehen sollten.

Die seit 2017 eingesetzte Maschine soll erst im April technisch gewartet worden sein. Der Suchoi Superjet-100 (SSJ-100) ist der Stolz der russischen Luftfahrt, die erste Neuentwicklung seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor gut 30 Jahren. Seit 2011 sind die Maschinen zugelassen. Immer wieder gab es Berichte über Pannen und Zwischenfälle. Bei einem Probeflug des Superjets starben 2012 in Indonesien 45 Menschen. Doch ein vergleichbares Unglück in der zivilen Luftfahrt in Russland hat es mit dem Flugzeugtyp bisher nicht gegeben.

Der Verkauf läuft schleppend - vor allem international hatte Russland auf einen Absatz der Mittelstreckenflugzeuge gehofft. Die staatliche Fluggesellschaft Aeroflot hatte erst im vergangenen Herbst den Kauf von weiteren 100 Jets des Typs angekündigt. Nach einem Bericht der Zeitung «Wedomosti» sind gegenwärtig rund 139 Maschinen des Typs im Einsatz, davon 106 in Russland und 33 im Ausland. Das Verkehrsministerium sah zunächst keinen Grund, auf den Einsatz der Maschinen zu verzichten.

In Russland kommt es immer wieder zu schweren Zwischenfällen im Luftverkehr und zu Flugzeugunglücken mit vielen Toten. Das Land mit den elf Zeitzonen zählt in Sachen Flugsicherheit nach internationalen Statistiken zu den gefährlichsten Regionen weltweit.

Beim Absturz eines russischen Passagierflugzeugs vom Typ Antonow starben im Februar vorigen Jahres in der Nähe von Moskau 71 Menschen. Die Maschine vom Typ An-148 der Saratow Airlines war nach dem Start vom Hauptstadt-Flughafen Domodedowo vom Radar verschwunden. Sie zerschellte auf einem Feld im Bezirk Ramenskoje südöstlich von Moskau. Im September wurden 18 Menschen bei der Notlandung eines Flugzeugs in der Schwarzmeerstadt Sotschi verletzt.

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