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Scholz und Merz liefern sich Wahlkampfduell im Bundestag

Keystone-SDA
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Deutschland,

Vor der Abstimmung über die Migrationspolitik lieferten sich Kanzler Scholz und Merz einen scharfen Schlagabtausch über den Umgang mit der AfD.

Merz Scholz
Vor der Migrationsabstimmung lieferten sich Scholz (l.) und Merz (r.) einen scharfen Schlagabtausch über die AfD. (Archivbild) - Kay Nietfeld/dpa

Vor der Abstimmung über die Migrationspolitik im Bundestag haben sich in Deutschland Kanzler Olaf Scholz und der christdemokratische Kanzlerkandidat Friedrich Merz einen aussergewöhnlich scharfen Schlagabtausch über den Umgang mit der rechtspopulistischen AfD geliefert.

Der SPD-Kanzlerkandidat Scholz warf Merz vor, die klare Abgrenzung zu extrem rechten Parteien aufzugeben. «Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf», rief er dem Oppositionsführer in seiner Regierungserklärung im Parlament zu.

Merz nennt Scholz' schwarz-blaue Spekulationen «niederträchtig»

Scholz mutmasste auch, dass die Christdemokraten nach der Wahl eine Koalition mit der AfD eingehen könnten. Merz wies das in seiner Antwort auf den Kanzler als «niederträchtig» und «infam» zurück. «Ich werde alles tun, das zu verhindern.»

Der CDU-Chef bekräftigte dennoch, dass er für die Durchsetzung seiner Vorschläge zur Migration die Zustimmung der AfD in Kauf nehme. Das sei ihm lieber, als «weiter ohnmächtig zuzusehen, wie die Menschen in unserem Land weiter bedroht, verletzt und ermordet» werden.

Weidel nennt Regierungserklärung «ungeheuerlich»

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel wandte sich sowohl gegen Scholz als auch gegen Merz. Die Regierungserklärung nannte sie «ungeheuerlich» und warf Scholz «autoritäres» Denken vor. «Das ist Demokratie ohne Volk, das ist Demokratie ohne Wähler», sagte sie.

Die Migrationspolitik der Regierung nannte sie einen «politisch motivierten Kontrollverlust». Die sogenannte «Brandmauer» gegen die AfD sei ein Hebel, um den Wählerwillen auszuschliessen. Der Union warf Weidel vor, die Vorschläge zur Eindämmung der Migration von der AfD abgeschrieben zu haben.

Drei Abstimmungen über Unions-Vorschläge

CDU und CSU wollen noch am Nachmittag zwei Anträge zur Abstimmung stellen. In einem geht es um einen Fünf-Punkte-Plan zur Bekämpfung der irregulären Migration, der mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit bekommen könnte. Gefordert wird darin unter anderem ein Einreiseverbot für alle Menschen ohne gültige Einreisedokumente, auch wenn sie ein Schutzgesuch äussern.

Erst am Freitag steht das sogenannte «Zustrombegrenzungsgesetz» der Unionsfraktion zur finalen Abstimmung. Die Neuregelung soll unter anderem den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus beenden.

Nach Aschaffenburg nur noch zwei Wahlkampfthemen

Ausgangspunkt für die aktuelle Migrationsdebatte war der Messerangriff von Aschaffenburg (Bayern) mit zwei Toten, der vor einer Woche den Bundestags-Wahlkampf komplett umkrempelte. Ein offenbar psychisch kranker Mann aus Afghanistan soll zwei Menschen getötet haben, darunter einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe, und weitere schwer verletzt haben.

Der 28 Jahre alte Tatverdächtige war ausreisepflichtig. Seitdem wird im Wahlkampf praktisch nur noch über Migration und den Umgang mit der AfD gestritten. Die Union sieht sich durch den Fall in ihrer Forderung nach einer massiven Verschärfung des Vorgehens gegen irreguläre Migration bestärkt.

Merz sagte im Bundestag, das sei man den Opfern schuldig. Die rot-grüne Minderheitsregierung sieht das Problem eher bei der Umsetzung der bestehenden Regeln durch die zuständigen Behörden. Sie hält die Vorschläge der Union für rechtswidrig.

Scholz: «Ein Bundeskanzler darf kein Zocker sein»

Scholz sprach Merz die Regierungsfähigkeit ab, weil er Pläne vorlege, die dem Grundgesetz und dem EU-recht widersprächen. «Es gibt Grenzen, die darf man als Staatsmann nicht überschreiten», sagte er.

«Politik in unserem Land ist doch kein Pokerspiel. Der Zusammenhalt Europas ist kein Spieleinsatz. Und ein deutscher Bundeskanzler darf kein Zocker sein. Denn er entscheidet im schlimmsten Fall über Krieg oder Frieden.»

Merz weist Vorwurf der Rechtswidrigkeit zurück

Merz wies den Vorwurf der Rechtswidrigkeit klar zurück. Der EU-Vertragsartikel 72 eröffne dem nationalen Recht den Vorrang bei einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sagte er. «Wie viele Kinder müssen noch Opfer solcher Gewalttaten werden, bevor sie auch der Meinung sind, dass es sich hier um eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt?», fragte er.

Zudem sei im Artikel 16a des Grundgesetzes ausdrücklich geregelt, dass sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen könne, wer aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem Land einreise, in dem die Europäische Menschenrechtskonvention gelte.

AfD und FDP wollen Fünf-Punkte-Plan zustimmen

Ob die CDU/CSU für ihre beiden Anträge eine Mehrheit bekommt, war vor der Abstimmung noch offen. AfD und FDP haben zumindest zu Merz' Fünf-Punkte-Plan Zustimmung signalisiert. Die Union würde mit diesen beiden Fraktionen zusammen auf 362 Stimmen kommen, wenn alle Abgeordneten dafür stimmen. Der Bundestag hat 733 Abgeordnete, die absolute Mehrheit liegt bei 367 Stimmen.

Für einen Beschluss über die Anträge reicht aber die einfache Mehrheit aus.SPD, Grüne und Linke lehnen die Unions-Anträge ab. Das BSW von Sahra Wagenknecht will sich enthalten. Am ehesten könnte der Gesetzentwurf am Freitag durchgehen. Diesem wollen neben Union auch AfD, FDP und BSW zustimmen.

Scholz mit wenige Chancen auf Wiederwahl

Auch wenn die Anträge beschlossen werden, es würde zunächst nichts ändern. Für die Bundesregierung haben sie keine bindende Wirkung. Kanzler Scholz hat bereits angekündigt nicht tätig werden zu wollen. Er spricht deshalb von «heisser Luft».

Die Bundestagswahl findet am 23. Februar statt. In Umfragen ist Merz' CDU/CSU die mit Abstand stärkste Kraft, kommt aber kaum über 30 Prozent hinaus. Es folgt die AfD mit über 20 Prozent.

Scholz' Sozialdemokraten liegen mit rund 15 Prozent abgeschlagen auf Platz drei. In einer am Mittwoch veröffentlichten Ipsos-Umfrage ist Merz für 18 Prozent der geeignetste Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers. Scholz kommt auf nur zehn Prozent.

Kommentare

User #6350 (nicht angemeldet)

Die Beschimpfungen gegen die einzige deutsche Partei, welche die Realitäten sieht und diese politisch anpacken möchte, diese Beschimpfungen müssen nun endlich mal aufhören. Herr Merz hat der AfD einiges abgekupfert, was er gestern und heute in Trumpmanier («Bereits am Tag der Wahl werde ich …») aufzählte. Die Wähler werden aber, wenn schon, dann das Original wählen: Alice Weidel und ihre AfD. /// Ich denke, die AfD wird stimmenmässig nochmals kräftig zulegen und Herrn Merz damit überholen. Alice Weidel wird die neue Bundeskanzlerin, ich gratuliere jetzt schon! Dann sollte sie sich mit Frau Wagenknecht und Herrn Lindner organisieren und gut ist.

User #1990 (nicht angemeldet)

Scholz ist passé. Er zauderte, er schwadronierte, er überschätzte sich und seine Crew. Das Taktieren bei der Innen- und Aussenpolitik schadete Deutschland enorm. Anstatt klare Ansagen, versank er in Diplomatie, löste keine Probleme, neue kamen hinzu. Er fuhr die Karre noch tiefer in den Dreck als es für viele voraussehbar war. Deutschland hat unter Scholz gelitten. Fb

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