Sexuelle Gewalt gegen Nonnen befeuert Missbrauchsdebatte in katholischer Kirche
Die Missbrauchsdebatte in der katholischen Kirche weitet sich aus: Nach dem Skandal um pädophile Priester und die Vertuschung von Missbrauchsfällen rückt nun die sexuelle Gewalt gegen Nonnen in den Fokus.
Das Wichtigste in Kürze
- Papst räumt Missbrauch durch Kleriker ein und kündigt Aufklärung an.
Papst Franziskus hatte am Dienstag erstmals den Missbrauch von Nonnen durch Kleriker eingeräumt. Kirchenvertreter und Laien befürworteten die Äusserungen des Papstes und forderten Aufklärung.
«Es ist das erste Mal, dass der Papst oder die Kirche als Institution öffentlich eingeräumt hat, dass dieser Missbrauch stattfindet, und das ist enorm wichtig», sagte die Journalistin Lucetta Scaraffia, die in der jüngsten Ausgabe des Frauenmagazins der Vatikanzeitung «Osservatore Romano» über die Missbrauchsfälle berichtet hatte, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP.
Es seien zahlreiche Beschwerden beim Vatikan eingereicht worden, denen aber nicht nachgegangen worden sei. Es müsse nun eine Untersuchungskommission eingesetzt werden, sagte Scaraffia. Sie hoffe auf schnelle Verfahren gegen die Täter.
Der Papst hatte am Dienstag auf dem Rückflug von seinem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten Stellung zu dem Bericht über den Missbrauch von Nonnen in dem Vatikan-Magazin bezogen. «Es gab Priester und auch Bischöfe, die das getan haben», sagte er. Mehrere Geistliche seien wegen der Übergriffe suspendiert worden. Zudem seien einige besonders betroffene Frauenkongregationen aufgelöst worden.
In einem Fall sei es zur «sexuellen Versklavung durch Priester und den Gründer» gekommen, sagte Franziskus. Nach Angaben seines Sprechers bezog sich der Papst mit dieser Äusserung auf die französische Kongregation der Kontemplativen Schwestern vom heiligen Johannes.
Der Missbrauch von Nonnen könne zwar «überall» geschehen, sagte Franziskus. Derartige Fälle seien aber besonders häufig in «einigen neuen Kongregationen und in einigen Regionen». Die Kirchenspitze arbeite bereits «lange» an dem Thema. Die Kirche dürfe derartige Fälle nicht abstreiten, betonte der Pontifex. «Müssen wir noch mehr tun? Ja! Haben wir den Willen dazu? Ja!»
Zwei Wochen vor der geplanten Vatikan-Konferenz zum Thema Kindesmissbrauch schlug der Papst ein neues Kapitel in der seit langem schwelenden Missbrauchsdebatte auf. Tausende Missbrauchsfälle in Europa, den USA, Australien und Chile sowie Versuche, die Taten zu vertuschen, hatten die katholische Kirche in den vergangenen Jahren in eine tiefe Krise gestürzt.
Zuletzt hatten sich Vorwürfe von Klosterschwestern gegen hohe kirchliche Würdenträger weltweit gehäuft. Der österreichische Pater Hermann Geissler hatte am Dienstag vergangener Woche beim Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre der Kirche seinen Rücktritt eingereicht, weil er die deutsche Nonne Doris Wagner im Beichtstuhl massiv bedrängt haben soll. Geissler war einer von drei Büroleitern der Glaubenskongregation.
Die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK), die rund 15.000 Ordensschwestern und etwa 4000 Ordensmänner vertritt, bewertete den Vorstoss des Papstes positiv. «Es ist gut, dass der Papst dieses Thema offen anspricht», erklärte die DOK-Vorsitzende Katharina Kluitmann auf AFP-Anfrage.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) erklärte mit Blick auf die Missbrauchsfälle in den Ordensgemeinschaften, es bestehe ein dringender Klärungsbedarf. «Jede Form von sexuellem Übergriff und Missbrauch ist zu verurteilen - gegenüber Minderjährigen und Volljährigen», sagte der Münsteraner Bischof Felix Genn, der die Kommission der DBK für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste leitet.
Es sei «richtig und notwendig», dass Papst Franziskus das Thema angesprochen habe, erklärte auch die Laienorganisation «Wir sind Kirche». Der «sexuelle und geistige Missbrauch von Ordensfrauen» müsse nun auch beim Krisengipfel in zwei Wochen im Vatikan auf der Tagesordnung stehen.
Die Reformbewegung kritisierte zugleich die Organisation der Konferenz, an der vom 21. bis 24. Februar die Vorsitzenden der nationalen Bischofskonferenzen und Experten teilnehmen sollen. «Die Verantwortlichen, unter denen möglicherweise auch Täter sind, sitzen über sich selbst zu Gericht». Missbrauchsopfer seien nur indirekt beteiligt, und Frauen blieben bei den Beratungen «wieder aussen vor».