SPD-Parteitag stimmt für Ampel-Koalition im Bund
Viel klarer hätte das SPD-Votum für die Ampel-Koalition nicht ausfallen können: Von mehr als 600 Parteitagsdelegierten stimmen nur sieben gegen den Vertrag mit Grünen und FDP. Der wohl künftige Kanzler gibt ein Versprechen.
Das Wichtigste in Kürze
- Als erste der drei Ampel-Parteien hat die SPD dem Koalitionsvertrag mit Grünen und FDP mit grosser Mehrheit zugestimmt.
Auf einem teilweise digitalen Parteitag votierten am Samstag mehr als 98 Prozent der Delegierten dafür.
Der wohl künftige Bundeskanzler Olaf Scholz kommentierte das überaus deutliche Ergebnis trocken: «Ja, und nun machen wir uns an die Arbeit.»
Vor der Abstimmung hatte der 63-Jährige eindringlich um Zustimmung geworben und eine Regierung versprochen, die sich nicht wegduckt und etwas wagt. «Wir haben jetzt die Chance: Ein Aufbruch kann für Deutschland stattfinden», betonte er. Er bekräftigte seinen Anspruch, länger als vier Jahre an der Regierung zu bleiben. Die Ampel-Koalition mit Grünen und FDP trete an, «um miteinander freundlich zusammenzuarbeiten und um wiedergewählt zu werden». Die Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken nannten die Bildung des neuen Bündnisses historisch.
Kaum Kritik am Koalitionsvertrag
In der Aussprache gab es kaum Kritik am Koalitionsvertrag. 598 Delegierte stimmten schliesslich dafür, 7 dagegen, 3 enthielten sich. Die SPD gab das Ergebnis mit 98,84 Prozent an, ohne die Enthaltungen mitzuzählen. Zum Vergleich: 2018 hatte die SPD die Mitglieder über die äusserst umstrittene grosse Koalition mit CDU und CSU abstimmen lassen. Rund 66 Prozent waren damals für die sogenannte GroKo, in der Scholz den Posten des Finanzministers und Vizekanzlers übernahm.
Bis die neue Regierung tatsächlich an die Arbeit geht, wird es noch einige Tage dauern. Am Sonntag stimmt die FDP über den Koalitionsvertrag ab, und am Montag wird das Ergebnis der Urabstimmung der Grünen darüber bekanntgegeben. Sollten auch die beiden kleineren Koalitionspartner den Weg frei machen, wird das erste Dreierbündnis auf Bundesebene seit den 50er Jahren am Dienstag mit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags besiegelt.
Für Mittwoch ist die Wahl von Olaf Scholz zum neunten Kanzler der Bundesrepublik geplant. Er wäre dann der vierte Regierungschef aus den Reihen der SPD nach Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Am selben Tag soll das Kabinett vereidigt werden.
In ihrem über Wochen ausgehandelten Koalitionsvertrag versprechen die Ampel-Parteien unter anderem grosse Anstrengungen beim Klimaschutz und einen Umbau der Industrie. Zugleich sind Verbesserungen etwa für Geringverdiener, Mieter und Familien vorgesehen. Der Mindestlohn soll rasch auf 12 Euro steigen, und jährlich sollen 400.000 neue Wohnungen gebaut werden. «Ich bin wahnsinnig stolz auf das, was wir da gemeinsam verhandelt haben», betonte Generalsekretär Lars Klingbeil auf dem Parteitag.
Walter-Borjans versprach, seine Partei werde trotzdem kein «Lautsprecher der Regierung» sein und auch die Ziele weiterverfolgen, die es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hätten. Seine Co-Vorsitzende Saskia Esken betonte: «Mit der Ampel schreiben wir Geschichte.»
Anders als FDP und Grüne hat die SPD ihre Minister für das Kabinett noch nicht benannt. Es wird damit gerechnet, dass die Namen erst am Montag bekanntgegeben werden.
Die spannendste noch offene Frage ist, wer neuer Gesundheitsminister wird. In der Bevölkerung hat der Bundestagsabgeordnete und Epidemiologe Karl Lauterbach die Sympathien auf seiner Seite. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov sprechen sich 45 Prozent für den 58-Jährigen aus. 33 Prozent wünschen sich einen anderen Politiker oder eine andere Politikerin auf dem so wichtigen Posten für den Kampf gegen die Corona-Pandemie. Die andere Befragten machten keine Angaben. Scholz hat öffentlich keine Präferenz erkennen lassen.
Weitere spannende Frage bei der Besetzung der letzten Kabinettsposten: Hält Scholz sein Versprechen ein, dass seiner Regierung mindestens so viele Frauen wie Männer angehören werden? Von den 16 Bundesministern sind bereits zusammen neun von den Grünen und der FDP benannt - darunter vier Frauen und fünf Männer. Mit Scholz als Kanzler sind es sechs Männer. Um das Versprechen des wohl künftigen Regierungschefs zu erfüllen, müsste die SPD mindestens fünf Bundesministerinnen benennen. Für die Männer blieben dann nur zwei Posten übrig.
Scholz war in den vergangenen Wochen wegen der sich zuspitzenden Corona-Krise bereits stark gefordert. Kritisiert wurde, dass sich weder die geschäftsführende Regierung noch die wohl künftige Ampel-Koalition verantwortlich fühlte, entschlossen gegen die rasant steigenden Infektionszahlen anzugehen. Am Samstag verteidigte Scholz die inzwischen beschlossenen schärferen Corona-Beschränkungen vor allem für Ungeimpfte und warb für einen Schub bei den Impfungen.