Steinmeier lädt zum Dialog im Kampf gegen Corona
Der Bundespräsident hat zum Kaffee geladen, um über Corona zu reden - auch mit Kritikern der Massnahmen. Sein Fazit: Die eine oder andere Frage lasse sich durchaus gemeinsam erörtern, wenn man die eigene Sicht nicht als Mass der Dinge sieht.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, die bisherigen Erfolge im Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht zu gefährden.
Es gebe sicherlich unterschiedliche Sichtweisen auf die Pandemie und die Massnahmen - je nachdem, ob man auf dem Land lebe oder in der Stadt, ob man Kinder habe oder womöglich der Arbeitsplatz gefährdet sei, sagte der Bundespräsident am Dienstag in Berlin. In der Debatte über Corona-Massnahmen müsse aber die Meinung anderer ernst genommen und respektiert werden. Die eigene Kritik sei nicht die einzig richtige Sicht der Dinge.
Steinmeier hatte mehrere Bürgerinnen und Bürger, darunter auch Gegner oder Kritiker der Corona-Massnahmen, zu einer sogenannten Kaffeetafel eingeladen. Der Bundespräsident wies in der Debatte auf die hohe Zustimmung in der Bevölkerung zu den Massnahmen hin. Er hoffe, dass Deutschland Erfahrungen wie in Frankreich oder Spanien erspart bleiben, sagte Steinmeier zu der Möglichkeit einer zweiten Infektionswelle. «Vielleicht sind wir ein bisschen Opfer des eigenen Erfolgs.» Die Zahl der Corona-Opfer sei in Deutschland wohl deshalb so gering, «weil wir dieses Management hatten».
Er habe zur Kaffeetafel eingeladen, als die täglichen Infektionszahlen deutlich unter 1000 gelegen hätten. Aktuell liegen sie wieder über dieser Marke. Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit unterstrich, dass trotz der steigenden Zahlen die Belastung in den Krankenhäusern glücklicherweise nicht zu stark sei - dies könne sich aber auch ändern. Man brauche Erfolge bei der Forschung. Denn je länger die Pandemie das Leben beeinträchtige, desto grösser die Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung.
Der Bundespräsident zeigte grundsätzlich Unverständnis dafür, dass wissenschaftliche Erkenntnisse «gänzlich in Zweifel gezogen» würden. Gleichwohl sei es verständlich, wenn man die Massnahmen kritisiere.
Eine Teilnehmerin der Kaffeetafel monierte, dass kritische Meinungen unterdrückt und die Kritiker gleich in die Ecke der Rechtsradikalen gedrängt würden. Eine bittere Erfahrung nannte sie, dass viele Menschen ohne Verabschiedung starben - auch solche, die nicht im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben seien. «Es war ein wirklich einsamer Tod», sagte sie und liess deutliche Zweifel erkennen, dass dies notwendig gewesen sei.
Nach Darstellung mehrere Teilnehmer der Tafel lebten viele Menschen in diesen Zeiten mit grosser Angst, ja Panik. Angst führe zu Einsamkeit und Isolation, so ein Argument, eine solch weitreichende Verunsicherung der Bürger könne ein Land schwächen.
Steinmeier lobte dagegen, dass die führenden Virologen in Deutschland - Christian Drosten, Hendrik Streeck oder eben Schmidt-Chanasit - gerade keine Panik verbreitet hätten. Es sei für die Politik auch ein Lernprozess gewesen, dass es in dieser Pandemie nicht den einen richtigen Rat eines Virologen geben konnte, sondern dass sich hier erst etwas entwickle.
Deutlich wurde in der Runde, dass vor allem Angst zu unterschiedlichen Reaktionen führt. Der eine zieht aus Angst oder - wie es die Frau des Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, ausdrückte - aus Respekt vor dem Coronavirus seine Gesichtsmaske auf und hält sich strikt an die Regeln. Auf andere in einer anderen Lebenslage wirkt die Maske selbst beängstigend.
Wenn die Angst nicht genommen werde, werde auch dadurch der Graben in der Bevölkerung immer tiefer, argumentierte ein anderer Teilnehmer. Das merke man auch in den Schulen, wo Corona-Fälle zum Teil zu massiven Beschuldigungen unter den Eltern führten - auch wenn der Erreger ohne Fahrlässigkeit eingefangen worden sei.