Syrische Truppen rücken auf türkische Grenze vor
Nach dem angekündigten Abzug der US-Soldaten aus Nordsyrien rücken syrische Regierungstruppen auf Bitten der kurdischen Autonomieverwaltung auf die türkische Grenze vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Erdogan will weiterhin Kobane und Manbidsch besetzen.
Die Einheiten von Machthaber Baschar al-Assad drangen syrischen Staatsmedien zufolge bis in die strategisch wichtige Stadt Manbidsch 30 Kilometer vor der Grenze vor. US-Präsident Donald Trump und die Türkei warfen den syrischen Kurden vor, gezielt IS-Anhänger aus der Haft freizulassen.
Zuvor waren Assads Truppen bereits in die Stadt Tal Tamr vorgerückt, wo sie von jubelnden Einwohnern begrüsst wurden. Die Stadt liegt 30 Kilometer von der Grenzstadt Ras al-Ain entfernt, wo es weiter heftige Gefechte der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) gegen die türkische Armee gab. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, die Panzer Assads seien auch in die Nähe von Tabka und Ain Issa vorgerückt.
Da die YPG zunehmend an Boden verlor, schloss die kurdische Autonomieverwaltung am Sonntagabend nach Vermittlung durch Russland eine Vereinbarung mit Damaskus, Truppen an die Grenze zu schicken, um gemeinsam die türkische Armee zurückzuschlagen. Die Kurden reagierten damit auf die Ankündigung der USA, ihre Soldaten aus der Region abzuziehen, da sie zwischen die Fronten zu geraten drohten.
Ein US-Vertreter sagte am Montag, rund 1000 Soldaten würden das Land verlassen. Nur 150 Soldaten würden auf der Basis al-Tanf im Süden Syriens bleiben. Die französische Regierung erklärte, ohne den Schutz durch die USA sei sie möglicherweise ebenfalls zum Abzug ihrer Truppen gezwungen.
Erdogan begrüsste die Entscheidung zum Abzug der US-Truppen. Zugleich machte er klar, dass die Türkei weiterhin anstrebe, mit verbündeten syrisch-arabischen Milizen die Kontrolle über die Städte Manbidsch und Kobane zu übernehmen.
Die YPG wurde über Jahre von den USA im Kampf gegen die Dschihadisten des Islamischen Staats (IS) mit Waffen, Luftangriffen und Spezialkräften unterstützt. Nach einem Telefonat mit Erdogan Anfang Oktober kündigte US-Präsident Trump aber den Rückzug der US-Truppen an. Damit machte er den Weg frei für die türkische Offensive zur Schaffung einer «Sicherheitszone» in Nordsyrien.
Ankara sieht die Präsenz der YPG an ihrer Grenze als Bedrohung, da sie eng verbunden ist mit den Rebellen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei. Die Autonomie der syrischen Kurden ist der Türkei schon lange ein Dorn im Auge. Mit der Rückkehr der syrischen Regierungstruppen in die Kurdengebiete im Nordosten steht die kurdische Autonomie nun aber vor dem Ende.
Auch am sechsten Tag der Offensive gab es heftige Kämpfe. Nach UN-Angaben wurden bislang mindestens 160.000 Menschen durch die Offensive vertrieben. Nach Zählung der Beobachtungsstelle wurden auf syrischer Seite 133 YPG-Kämpfer und 69 Zivilisten getötet, während vier türkische Soldaten und 108 verbündete Milizionäre starben. Auch 18 Zivilisten wurden auf türkischer Seite getötet.
International lässt die Kritik an dem türkischen Angriff nicht nach. Allerdings konnten sich die EU-Aussenminister bei einem Treffen in Luxemburg nicht auf ein EU-weites Waffenembargo einigen. Sie riefen lediglich die Mitgliedstaaten auf, nationale Lieferstopps zu verhängen.
Die Haltung der EU sei klar, sagte Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) in einem im Onlinedienst Twitter veröffentlichten Video. «Wir wollen, dass der türkische Militäreinsatz in Nordost-Syrien umgehend beendet wird.»
Ankara warf der EU vor, mit ihrer Haltung «Terroristen» zu beschützen. «Es ist inakzeptabel, dass die EU einen Ansatz verfolgt, der terroristische Elemente schützt», teilte das türkische Aussenministerium mit.
Trump warf den Kurden derweil vor, IS-Anhänger aus der Haft zu entlassen, um die USA in den Konflikt hineinzuziehen. Die Türkei und die europäischen Herkunftsstaaten könnten sie aber leicht wieder einfangen, schrieb Trump auf Twitter. Auch Ankara beschuldigte die YPG, vor Ankunft der türkischen Truppen inhaftierte Dschihadisten aus einem Gefängnis in Tal Abjad freigelassen zu haben.
Die Verwaltung der kurdischen Autonomieregion in Nordsyrien hatte am Sonntag gemeldet, dass in der Folge der türkischen Offensive fast 800 Frauen und Kinder von IS-Kämpfern aus einem Lager bei Ain Issa entwichen seien.