Tausende Mieter haben Geldsorgen wegen Corona-Krise
Menschen, die in der Corona-Krise ihre Miete nicht mehr zahlen können, sind gesetzlich vor Kündigungen geschützt. Tausende Mieter mit Geldsorgen richten Anfragen an grosse Wohnungsunternehmen. Doch sie sind in der Minderheit.
Das Wichtigste in Kürze
- Tausende Mieter in Deutschland haben sich in der Corona-Krise wegen Geldsorgen an ihre Vermieter gerichtet.
Da viele Menschen in der Pandemie mit weniger Einnahmen zurechtkommen müssen, häufen sich die Anfragen.
Die Mietausfälle zumindest bei grossen Wohnungsunternehmen halten sich aber in Grenzen, zeigt eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter Immobilienkonzernen sowie Mieter- und Eigentümerverbänden. Demnach hat die Pandemie die allermeisten Mieter bislang nicht in grosse finanzielle Nöte gestürzt.
Bei einer Umfrage für den Eigentümerverband Haus & Grund haben mehr als drei Viertel der befragten Mieter angegeben, sie hätten aktuell genug Einkommen und Rücklagen oder erhielten staatliche Hilfe, um ihre Miete zahlen zu können. Etwas mehr als sechs Prozent berichteten, bei ihnen führten Einkommenseinbussen wegen der Pandemie dazu, dass sie die Miete nicht zahlen könnten, so Haus & Grund.
«Noch wirken viele Auffangmassnahmen, die es den Mietern ermöglichen, weiter ihre Miete zu zahlen», sagte Verbandspräsident Kai Warnecke. Die Massnahmen liefen jedoch irgendwann aus. «Wir befürchten, dass dann die Zahl derer, die nicht mehr zahlen können, deutlich steigt.»
In den meisten Wohngeldstellen der Städte sind die Anfragen von Mietern seit Mitte März deutlich gewachsen, berichtete der Deutsche Städtetag. «Der Beratungsbedarf in Folge von Corona ist enorm», sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy auf Anfrage.
Meist gehe es aber um eine erste allgemeine Beratung und nicht um vollständige Wohngeldanträge. Viele könnten bislang nicht genau beziffern, welches Einkommen sie etwa wegen Kurzarbeit überhaupt hätten. Selbstständige hätten oft zunächst Soforthilfe-Angebote genutzt. «Deshalb rechnen die Wohngeldstellen mit einer deutlichen Steigerung vollständiger Wohngeldanträge erst im Verlaufe dieses Monats», sagte Dedy.
Bei Berlins grösstem Vermieter Deutsche Wohnen sind bisher rund 1100 Anfragen von Mietern eingegangen, berichtete der Konzern auf Anfrage. In der Mehrzahl gehe es um vorfühlende Schreiben, wonach es Probleme geben könnten, erklärte der Immobilienkonzern, der mehr als 160.000 Wohnungen besitzt. Tatsächliche Mietausfälle seien die Ausnahme.
Kündigungen von Mietern wegen Zahlungsproblemen seien in der Corona-Krise ausgeschlossen ebenso wie Mieterhöhungen, betont das Unternehmen. «Es wird keine Zwangsräumungen geben.» Man habe Möglichkeiten wie Stundungen aber auch Mietenverzicht. Dafür werde ein 30 Millionen Euro schwerer Fonds eingerichtet, der für Mietausfälle aufkomme. Dafür sollen die Aktionäre von Deutsche Wohnen auf 10 Cent der geplanten Dividende verzichten.
Bei Deutschlands grösstem Wohnungsverwalter Vonovia haben derweil etwas mehr als 3500 Mieter wegen finanzieller Probleme um Mietstundungen gebeten. Das seien gerade einmal ein Prozent der etwa 350.000 Vonovia-Mieter in Deutschland. Chef Rolf Buch rechnet damit, dass der Konzern etwa 40 Millionen Euro an Mieteinnahmen wegen Stundungen und Ratenzahlungen später erhält. Zum Vergleich: 2019 hat Vonovia insgesamt rund 2 Milliarden Euro an Mieten eingenommen.
Die Bundesregierung hatte beschlossen, Mieter in der Corona-Krise bei Zahlungsschwierigkeiten zu schützen. So dürfen Eigentümer Mietern nicht kündigen, wenn diese wegen der Corona-Krise die Miete nicht zahlen können. Das gilt für Mietschulden von April bis Ende Juni. Erst, wenn Mieter die Zahlungsrückstände aus diesem Zeitraum nach zwei Jahren nicht beglichen haben, kann ihnen gekündigt werden.
Auch der Hamburger Immobilienkonzern TAG Immobilien, der rund 85.000 Wohnungen vor allem in Nord- und Ostdeutschland vermietet, spürt bislang kaum Folgen der Pandemie. Der Anteil der Mieter, die sich mit Geldsorgen an TAG gewandt hätten, liege deutlich unter einem Prozent. Auch bei den grossen nordrhein-westfälischen Wohnungsunternehmen LEG und Vivawest spielen Bitten um Mietstundungen kaum eine Rolle. Die Firmen berichteten jeweils nur von ein paar Hundert Fällen. LEG Immobilien vermietet etwa 136.000 und Vivawest 115.000 Wohnungen.
Der Deutsche Mieterbund vermutet, dass sich die Pandemie erst zeitverzögert bei den Menschen niederschlägt. Bei den Vereinen gebe es bereits Beratungen wegen Zahlungsschwierigkeiten aufgrund der Corona-Krise. Wahrscheinlich werde die Zahl der Menschen, die ihre Miete nicht oder nicht vollständig zahlen könnten, steigen, je länger sie von Kurzarbeit oder Einkommensausfall betroffen sind.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert, den gesetzlichen Kündigungsschutz für Mieter in der Corona-Krise bis mindestens Ende September zu verlängern. «Es ist absehbar, dass die wirtschaftlichen Folgen der Krise über den Juni hinaus zu spüren sein werden», sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Bei vielen Beschäftigten in Kurzarbeit würden die finanziellen Reserven bald aufgebraucht sein. Vor allem Geringverdiener und Familien werden Schwierigkeiten haben, auflaufende Mietschulden abzustottern, vermutet der DGB.