Die Skandale der vergangenen Wochen haben ihre Spuren hinterlassen. Die Tory-Partei des britischen Premierministers Johnson kassiert bei einer Nachwahl im konservativen Kernland eine heftige Niederlage.
Sind seine Tage bereits gezählt? Boris Johnson verlässt die Downing Street. Foto: Joshua Bratt/PA/dpa
Sind seine Tage bereits gezählt? Boris Johnson verlässt die Downing Street. Foto: Joshua Bratt/PA/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • «Boris Johnson, the party is over.» Mit diesen Worten reagierte die britische Liberaldemokratin Helen Morgan am Freitag auf ihren Sieg über die Konservativen bei der Nachwahl in North Shropshire.
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Das Ergebnis löste Schockwellen in der Tory-Partei aus, die derzeit ohnehin mit ihrem von Skandalen umwitterten Regierungschef Boris Johnson hadert. Der mittelenglische Wahlkreis galt bisher als sichere Bank in einer Region, die seit Jahrhunderten als Kernland der Konservativen gilt.

Als wäre das nicht genug, schlittert das Land in die bisher grösste Infektionswelle seit Ausbruch der Corona-Pandemie hinein. Am Freitag wurde mit mehr als 93.000 Neuinfektionen erneut ein Rekord verzeichnet. Doch für harte Corona-Massnahmen fehlen dem Premier zunehmend die Unterstützung der eigenen Partei und - angesichts immer neuer Berichte über Lockdown-Verstösse in der Regierung - auch die moralische Autorität.

In einem Interview am Freitag sagte Johnson, «natürlich» übernehme er persönliche Verantwortung für die Niederlage. Schuld sei aber eigentlich ein Fokus in den Medien und der Öffentlichkeit auf die falschen Themen. Doch der Politikwissenschaftler Anand Menon vom King's College in London sieht in der Shropshire-Niederlage mehr als nur einen Ausrutscher. Die Brexit-Rhetorik, mit der Johnson die vergangene Wahl gewonnen habe, funktioniere nicht mehr, glaubt der Experte.

Mit der Wahlschlappe schliesst sich ein Kreis von Pleiten und Pannen: Ausgelöst worden war die Nachwahl am Donnerstag durch den Rücktritt des wegen Korruption in die Kritik geratenen Abgeordneten Owen Paterson. Er hatte sein Mandat niedergelegt, nachdem Johnson und seine Getreuen vergeblich versucht hatten, ihn vor einer vorübergehenden Verbannung aus dem Parlament zu schützen.

Darauf folgte ein Bericht nach dem anderen über Partys in der Downing Street und anderen Regierungsgebäuden, während der Rest des Landes im vergangenen Jahr im Lockdown sass. Johnson und seine Kabinettskollegen stritten vehement ab, dass Regeln gebrochen worden seien. Doch die Beweise wurden immer erdrückender: Einem Video, auf dem das Presseteam der Downing Street darüber scherzte, wie man eine Lockdown-Party mit «Käse und Wein» gegenüber Journalisten rechtfertigen könnte, folgten Fotos von Johnson beim Quiz mit Kollegen. Hinzu kamen neue Erkenntnisse über die fragwürdige Finanzierung des Luxus-Umbaus in Johnsons Dienstwohnung durch vermögende Spender.

Zuletzt stimmten knapp 100 Abgeordnete der eigenen Partei gegen eine - moderate Verschärfung - der Corona-Massnahmen im Land. Johnson war auf die Unterstützung der oppositionellen Labour-Partei angewiesen. Doch angesichts der atemberaubenden Geschwindigkeit, in der sich die Omikron-Variante des Coronavirus in Grossbritannien ausbreitet, scheinen schon bald weitere Verschärfungen, wenn nicht ein Lockdown mit Schulschliessungen, notwendig. Doch während Queen Elizabeth II. ihr traditionelles vorweihnachtliches Familientreffen absagte, schien Johnson selbst davor zurückzuschrecken, die Menschen zu freiwilliger Zurückhaltung an Weihnachten aufzurufen. Der Premier steckt in der Zwickmühle: Führt er das Land in einen weiteren Lockdown, dürfte seine Partei auf die Barrikaden gehen. Doch tut er nichts, droht das Gesundheitssystem zu kollabieren.

Für Johnson, so scheint es, wird es langsam wirklich eng. «Noch ein Streich und ich denke, es ist aus», drohte am Freitag der Tory-Parteiveteran Roger Gale im Gespräch mit dem Nachrichtensender Sky News. An Enthüllungen fehlt es derzeit jedenfalls nicht: Erst am Freitag berichteten britische Medien, der von Johnson zur Untersuchung der angeblichen Lockdown-Partys beauftragte oberste Beamte Simon Case habe in seiner Abteilung selbst Feiern geduldet. Er wurde noch am Abend abgelöst.

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