Umstrittene Corona-Lockerungen in Spanien

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Spanien,

Der Corona-Hotspot Spanien erzielt Erfolge im Kampf gegen das Virus. Das halbe Land darf daher am Montag die Ausgangsbeschränkungen lockern. Doch die Deeskalation macht nicht alle froh. Auf Mallorca wird geschimpft und um Hilfe gefleht - auch Richtung Deutschland.

Menschen treiben auf dem Paseo de la Castellana in Madrid Sport. Die spanische Hauptstadt ist vor Barcelona die von der Pandemie am schwersten getroffene Region des Landes. Foto: Manu Fernandez/AP/dpa
Menschen treiben auf dem Paseo de la Castellana in Madrid Sport. Die spanische Hauptstadt ist vor Barcelona die von der Pandemie am schwersten getroffene Region des Landes. Foto: Manu Fernandez/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • In halb Spanien werden am Montag die Ausgangsbeschränkungen in der Corona-Pandemie gelockert.

Die Entscheidung der linken Zentralregierung sorgt indes nicht nur in jenen Regionen für Unmut, die vorerst noch nicht in den Genuss der Lockerungen kommen.

Auch auf Mallorca sind die Einwohner unzufrieden, obwohl dort Hotels erstmals seit zwei Monaten wieder öffnen und Restaurants und Bars im Aussenbereich wieder Gäste bewirten dürfen. «Allein: Es fehlt die Kundschaft», schrieb die «Mallorca Zeitung». Das Wochenblatt prophezeite am Wochenende, deshalb würden «so gut wie alle Häuser» auch am Montag geschlossen bleiben.

Ähnlich äusserte sich die Chefin der mallorquinischen Hoteliersvereinigung FEHM, María Frontera, im Radiointerview. Der deutsche Hoteldirektor Christoph Gräwert gab zu bedenken: «Warum sollen wir denn öffnen, wenn es keine Flüge gibt, mit denen unsere Gäste anreisen können?» Zudem sei bisher «nicht ansatzweise klar, welche Sicherheitsvorschriften wir einhalten müssen», zitiert die «Mallorca Zeitung» den Chef des 900-Betten-Hauses «Samos» im Badeort Magaluf westlich der Hauptstadt Palma. «Diese Lockerung ist nichts Ganzes und nichts Halbes», schimpft auch der Spanier Joan, der am Ballermann, der von deutschen Besuchern beherrschten Partymeile an der Playa, einen Souvenirladen betreibt.

Die Zentralregierung hatte am Freitagabend mitgeteilt, dass am Montag neben Mallorca und den anderen Balearen-Inseln weitere zehn von insgesamt siebzehn «Autonomen Gemeinschaften» in die «Phase 1» des Deeskalationsplans eintreten dürfen, darunter das Baskenland und die Kanaren. Neben Gaststätten werden hier auch Kirchen und Museen ihre Pforten öffnen dürfen. Man darf wieder Freunde und Verwandte treffen. Bei Einhaltung der Sicherheitsregeln sind Zusammenkünfte von bis zu zehn Personen im Freien und auch zu Hause erlaubt.

Das gilt nicht für Madrid, das zunächst in «Phase 0» verbleibt. In anderen Regionen, etwa Katalonien oder Valencia, sind Lockerungen nur in wenigen Gebieten erlaubt. Wie Madrid muss unter anderem auch die katalanische Metropole Barcelona samt der gleichnamigen Provinz «nachsitzen». In Andalusien bleiben die wirtschaftlich immens wichtigen Urlaubsgebiete Málaga und Granada wider Willen aussen vor.

Die Region Madrid, die mit knapp 65.000 Infektionsfällen und fast 8600 Toten so schwer von der Pandemie getroffen ist wie keine andere in Spanien, wollte - anders als etwa die Provinz Barcelona, die noch Defizite einräumte - schon am Montag unbedingt in «Phase 1» rücken. Als das «Nein» von Sánchez kam, warf Oppositionsführer Pablo Casado von der in der Region Madrid regierenden konservativen Volkspartei (PP) dem Sozialisten vor, er versuche sein «miserables Management» durch Kritik an der Region zu vertuschen. Andalusiens Regionalpräsident Juan Manuel Moreno, ebenfalls ein PP-Mann, sprach von einer «Beleidigung».

In ganz Spanien gilt seit dem 15. März und noch mindestens bis zum 23. Mai der sogenannte Alarmzustand. Im Rahmen der dritthöchsten Notstandsstufe ist auch eine strikte Ausgehsperre in Kraft, die erst vor einer Woche etwas gelockert wurde. Im ganzen Land gab es bisher nach Behörden-Angaben mehr als 220.000 nachgewiesene Infektionen, über 26.000 Menschen mit Covid-19 starben. Mit einem Vier-Stufen-Plan will Sánchez' linke Regierung das Land bis Ende Juni zu einer «neuen Normalität» führen.

Frühestens dann werden die Spanier die heimische Provinz verlassen dürfen. Gäste vom Festland werden deshalb nach jetzigem Stand frühestens in sechs Wochen wieder am Flughafen von Son Sant Joan in Palma ankommen können. Wann man wieder Gäste aus dem Ausland empfangen können wird, wagt derzeit niemand vorherzusagen. «Nur mit den Urlaubern von der Insel bringen wir das Geschäft nicht zum Laufen», warnt der Vorsitzende des Hoteliersverbandes Palmanova-Magaluf, Mauricio Carballeda.

«Ein Panorama voller Fragezeichen», titelte die «MZ». Dass der Tourismusbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Thomas Bareiss, Sommerferien am Mittelmeer nicht mehr ausschliesst, und dass Lufthansa ab dem 1. Juni wieder Flüge unter anderem nach Mallorca ankündigt, wird auf der Insel mit einem skeptischen Lächeln quittiert. Hoteliervertreterin Frontera hofft, dass dem Tourismus im Juli ein langsamer Neustart gelingt. «Aber das hängt von vielen Faktoren ab», über die auch in Brüssel entschieden werde, warnte sie.

Lange kann vor allem Mallorca nicht auf die Normalisierung warten. In einer Studie der Bank BBVA hiess es, die Wirtschaftsleistung der Balearen werden 2020 um 17 Prozent schrumpfen, fast doppelt so viel wie die spanische. Im April stieg die Arbeitslosenrate um 62,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das war spanienweit der höchste Anstieg. Regionalpräsidentin Francina Armengol forderte dieser Tage Hilfe von Madrid und Brüssel.

Die «Mallorca Zeitung» blickt in der «dramatischen Lage» in eine andere Richtung. Es sei «Zeit für deutsche Solidarität», so die Überschrift eines Leitartikels der Onlineausgabe. «Es gibt hier und heute Menschen auf der Insel, die nicht wissen, was sie morgen essen sollen. Und es wird noch schlimmer kommen», warnte das Blatt.

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