Verdeckter Mund verhindert Lippenlesen

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Deutschland,

Mund-Nasen-Masken machen das Lippenlesen unmöglich - für manche Menschen ein grosses Problem. Die taube Stefanie Schmidt wirbt um Verständnis. Doch das klappt nicht immer.

Hörbehinderte Lippenlesen Coronavirus
Hörbehinderte wie Stefanie Schmidt haben es in Zeiten von Coronavirus schwer, Menschen von den Lippen abzulesen. Foto: Friso Gentsch/dpa/Archiv - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • «Bin taub, brauche Mundbild», steht auf der Maske von Stefanie Schmidt geschrieben.

Weiss auf schwarz, in dicker Schrift. Und damit es auch wirklich niemand übersieht, trägt die 37-Jährige aus Borchen bei Paderborn zusätzlich eine neongelbe Warnweste.

«Taub» steht auch darauf. So macht sie ihren Mitmenschen klar, dass sie sie nicht verstehen kann, wenn eine Maske das halbe Gesicht verdeckt. «Das ist, als würde ich dir die Rückseite von einem Buch hinhalten und sagen, lies vor. Du kannst die Buchstaben nicht sehen, also auch nicht lesen.»

Alltägliche Dinge wie Kuchen kaufen sind für aktuell richtig kompliziert. Die Verkäuferin in der Bäckerei verweist auf die Vorschriften und nimmt ihre Maske nicht ab. Schmidt erfährt nicht, ob im Kuchen Nuss ist oder nicht. Eigentlich ist das eine wichtige Information, ihre Mutter hat eine Nussallergie.

Was die Verkäuferin offenbar nicht wusste: Sie hätte die Maske abnehmen dürfen. In Nordrhein-Westfalen ist es erlaubt, für die Kommunikation mit tauben oder schwerhörigen Menschen die Mund-Nasen-Bedeckung vorübergehend abzulegen, wenn das für eine Dienstleitung zwingend nötig ist, wie das Gesundheitsministerium NRW auf Anfrage mitteilt.

«Ein verdeckter Mund ist für den Infektionsschutz am besten», meint Daniel Büter, Referent des Deutschen Gehörlosen-Bunds. Er nimmt lieber Einschränkungen bei der Kommunikation hin als das Risiko, sich anzustecken. Nicht alle tauben Menschen seien gleichermassen auf das Lippenlesen angewiesen. Das Ablesen vom Mund mache im Schnitt nur ein Drittel für das Verstehen aus. Die Handbewegungen und der gesamte Kontext spielten auch eine wichtige Rolle, so Büter. «Mit Händen und Füssen kann man auch kommunizieren.»

Stefanie Schmidt hat seit zehn Jahren ein sogenanntes Cochlea-Implantat, das wie ein Hörgerät funktioniert. Damit kann sie zwar Stimmen hören, aber zum Verstehen des Gesagten muss sie die Lippenbewegungen und den Gesichtsausdruck sehen. Besser als beim Bäcker hat es im Elektromarkt geklappt, erzählt sie. Dort habe die Beraterin sofort den Mundschutz abgenommen und sich mit Abstand unterhalten. Als es um Vertragsdetails ging, habe sie die Maske wieder aufgesetzt und mit Stift und Papier weiter gemacht. Ausserdem gebe es verschiedene Apps, die gesprochene Sprache in Text umwandeln können und umgekehrt. Inzwischen sind auch Masken mit Sichtfenster auf dem Markt.

«Corona hat auch kommunikative Barrierefreiheit geschaffen, die vorher nicht da war», sagt Daniel Büter. Viele Pressekonferenzen mit Informationen über die Ausbreitung des Virus würden aktuell von Gebärdendolmetschern live übersetzt. Das Gesundheitsministerium in NRW bietet ein Gebärdentelefon mit Informationen über das Coronavirus an. Solche Angebote müssten auch in der Zeit nach der Krise beibehalten und ausgebaut werden, fordert Büter.

Stefanie Schmidt wünscht sich vor allem eine offene und verständnisvolle Einstellung gegenüber Tauben. «Manche Leute schreien mich an und werden immer lauter. Die denken, ich muss sie irgendwann verstehen», erzählt sie. «Ich lebe in zwei verschiedenen Welten und Kulturen, mit hörenden und tauben Menschen», meint Schmidt. Mit ihren Masken und Westen will sie das anderen klarmachen.

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