Wahl in Grossbritannien: Konservative vor Bedeutungslosigkeit

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Grossbritannien,

Premier Rishi Sunaks konservativer Partei droht bei den britischen Parlamentswahlen am Donnerstag eine historische Niederlage.

Rechtspopulist Nigel Farage hat einst den Brexit vorangetrieben.
Rechtspopulist Nigel Farage hat einst den Brexit vorangetrieben. - Jordan Pettitt/PA Wire/dpa

Die letzte Hoffnung bringt Rishi Sunak der Fussball. «It's not over until it's over», postet der britische Premierminister bei X. Dazu: Ein Bild, wie der 44-Jährige über den Ausgleich der englischen Nationalmannschaft in letzter Minute im EM-Achtelfinale gegen die Slowakei jubelt. Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Am Donnerstag wählt Grossbritannien ein neues Parlament.

Sunaks Post soll zeigen: Bis die Wahllokale schliessen, kann alles passieren. Auch ein Sieg von Sunaks Konservativer Partei. Aber der Premier steht mit seiner demonstrativen Zuversicht zunehmend allein. Selbst Regierungsmitglieder glauben nicht mehr an einen Sieg, längst geht es nur noch um Schadensbegrenzung.

Zu deutlich liegt die Oppositionspartei Labour in allen Umfragen in Führung. Beim nächsten englischen EM-Spiel am Samstag wird Sunak ziemlich sicher nicht mehr im Amt sein. Die Frage ist eigentlich nur noch: Wie katastrophal wird es? Den Tories droht der «wipeout», der Sturz in die Bedeutungslosigkeit.

Rutschen die Konservativen unter 100 Sitze?

Fast täglich gibt es neue Schreckensnachrichten für die Partei, die als eine der erfolgreichsten politischen Kräfte der westlichen Welt gilt. Manche Umfrageprojektionen sehen die Konservativen bei deutlich unter 100 Sitzen. 2019 hatten sie 365 der 650 Mandate abgeräumt. Als erster amtierender Premierminister der Geschichte könnte Sunak in seinem Wahlkreis abgewählt werden.

Labour-Chef Keir Starmer ist für den erwarteten Erfolg nur in eingeschränktem Masse verantwortlich, sind Experten der Ansicht. Viele Wähler wissen wenig über den einstigen Chef der Anklagebehörde CPS oder über die Ziele seiner Sozialdemokraten. Schuld sind vielmehr die Konservativen selbst. «Die Tories haben das Recht verwirkt, zu regieren», urteilt die eher konservative Zeitung «Sunday Times».

Das Wirtschaftsblatt «Financial Times» kommentiert: «Grossbritannien braucht einen Neuanfang.» Der Politologe Tim Bale nennt die 14-jährige Regierungszeit der Konservativen katastrophal. «Sie sind schon zu lange im Amt und können kaum oder gar keine nennenswerten politischen Erfolge vorweisen», sagt Bale von der Queen Mary University of London im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

«Der Brexit hat nicht funktioniert. Die Einwanderungszahlen sind aus Sicht der Brexit-Gegner zu hoch. Die Wirtschaft ist träge. Das staatliche Gesundheitswesen NHS steckt in der Krise. Und sie haben eine Reihe hoffnungsloser Politiker gewählt.» Es sind vor allem das Chaos und die Skandale unter Sunaks Vorgängern Boris Johnson und Liz Truss, die Wählerinnen und Wähler abgeschreckt haben.

Liberaldemokraten als stärkste Oppositionsfraktion?

Durchaus möglich, dass die Tories nicht einmal die stärkste Oppositionsfraktion im Unterhaus stellen. Damit einher ginge vor allem ein grosser Verlust an Einfluss: Die offizielle Opposition unterhält ein Schattenkabinett, darf Ausschüssen vorsitzen und bekommt deutlich mehr Redezeit im Parlament als kleinere Parteien.

Diese Rolle könnte den Liberaldemokraten zufallen. Parteichef Ed Davey sorgt im Wahlkampf mit aufsehenerregenden Stunts wie Bungee-Jumping dafür, dass die Partei im Gespräch bleibt. Vor allem in Südengland gelten die «Libdems» manchen Konservativen als Alternative.

Für die Tories stellt sich bereits die Frage, wie es nach der erwarteten Wahlpleite weitergeht. Eine wichtige Rolle spielt dabei, wer überhaupt im Parlament übrig bleibt, wie Experte Bale betont. Mehreren Kabinettsmitgliedern droht das Aus. Dazu gehört auch Penny Mordaunt – weltweit bekanntgeworden, als sie bei der Krönung von König Charles ein Schwert trug -, die als Favoritin des moderaten Parteiflügels gilt.

Ausser ihr stehen Ex-Innenministerin Suella Braverman und Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch für die Sunak-Nachfolge bereit. Laut «Times» wurden für beide bereits entsprechende Websites vorbereitet. Braverman und Badenoch sind Vertreterinnen des rechtskonservativen Parteiflügels. Unter ihrer Führung würden sich die Tories noch stärker zu einem Ersatz für eine rechtspopulistische Partei entwickeln als bisher, sagt Bale.

«Mr. Brexit» als Problem für die Konservativen

Fraglich aber, ob die Tories sich damit in der Opposition behaupten können. Denn dieser Platz ist eigentlich besetzt: mit Nigel Farage, der massgeblich den Brexit vorantrieb, und seiner Partei Reform UK. Mit Tiraden gegen Migranten und Kritik an der Konservativen Partei hat Farage, bekannt für seine Nähe zu US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump und seine Zurückhaltung gegenüber Kremlchef Wladimir Putin, den Druck auf Sunak von rechts verschärft.

In Umfragen liegt Reform knapp hinter, mitunter sogar vor den Tories. Weil in Grossbritannien nur der Wahlkreissieger einen Sitz im Parlament erhält, dürften die Rechtspopulisten zwar nur wenige Mandate einsammeln. Aber sie kosten die Konservativen entscheidende Stimmen. «Farage ist nicht der Hauptgrund, warum die Tories geschlagen wirken», fasst es Bale zusammen. «Aber er hat die ohnehin schon schlechte Lage für sie noch schlimmer gemacht.»

Kommentare

User #6153 (nicht angemeldet)

Sorry, aber Sunak würde ich auch nicht wählen.

User #5267 (nicht angemeldet)

Nigel wollte gar nicht aus der EU. Es war nur populistischer Stimmenfang.

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