Was könnte die Täter zum Kirchenbrand von Nantes motiviert haben?
Der Kirchenbrand in Nantes sorgt seit Samstag für Schlagzeilen. Ein Religionswissenschaftler ordnet die Bedeutung und insbesondere die Auswirkungen ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Samstagmorgen brannte die Kathedrale in Nantes (F).
- Die Ermittler gehen in diesem Fall von Brandstiftung aus.
- Ein Religionswissenschaftler glaubt: Die Aufmerksamkeit könnte Täter motivieren.
Am frühen Samstagmorgen entdeckten Passanten ein zerstörerisches Feuer in der gotischen Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul im französischen Nantes. Unter anderem wurde bei dem Feuer mit drei separaten Brandherden die Orgel komplett zerstört.
Staatsanwalt Pierre Sennès sagte, die Ermittler gingen dem Verdacht der Brandstiftung nach. Die drei Brandherde seien weit voneinander entfernt gewesen. Am Sonntagmorgen kam es zur Festnahme eines Verdächtigen. Der Mann befindet sich aber nicht mehr in Polizeigewahrsam – es wird keine Strafverfolgung geben.
Die Ermittler tappen noch im Dunkeln.
Ähnlich wie beim Brand der Kathedrale Notre Dame in Paris ist die Solidarität mit dem französischen Gotteshaus sehr gross.
Rafael Walthert, Professor für Religionswissenschaften mit systematisch-theoretischer Ausrichtung an der Universität Zürich, ordnet ein.
Durch Brand mehr Solidarität mit der Religion
Für die Kirchgemeinde von Nantes bedeute der Brand nicht nur einen hohen materiellen Verlust, auch sentimentale Verluste müssten einberechnet werden. «Viele der Kulturgüter können nicht ersetzt werden», begründet Walthert.
Und nicht nur unter religösen Menschen sorge ein solcher Kirchenbrand für Aufregung und Empörung. «Die Betroffenheit rührt daher, dass gerade Kathedralen zum Symbol einer Stadt oder einer Region werden. Leute, die einen Bezug zu einem solchen Wahrzeichen haben, sind auch entsprechend emotional involviert.»
Die Kirchen würden schlagartig an Prominenz dazugewinnen und der Brand werde Teil der jahrhundertelangen Geschichte, die sie ausmacht, erklärt Walthert. Nicht nur die Sankt-Peter-und-Paul-Kathedrale in Nantes, auch die Notre Dame in Paris verspürte nach dem Brand eine temporäre Wichtigkeit. «Die Gotteshäuser werden dabei vorübergehend für Leute wichtig, die sonst wenige Gedanken an sie verloren haben.»
Motivation der Brandstifter ist schwierig einzuschätzen
Gerade in Frankreich verbinde man einen Kirchenbrand automatisch mit der Notre Dame in Paris, erklärt Walthert. Das führe dazu, dass auch der Brand in Nantes ein grosses mediales Interesse wecke. «Die grosse öffentliche Aufmerksamkeit, die besagtem Brand zuteil wird, ist natürlich im Bewusstsein der Täterschaft.» Die Brandstifter könnten davon ausgehen, dass es die Taten bis in die Weltöffentlichkeit schaffen.
Walthert geht jedoch nicht von einer organisierten religiösen Täterschaft aus. «Es gibt in Europa weniger offene Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen religiösen Gemeinschaften, aber vielmehr eine Opposition zwischen Religion und Laizismus.» Also Auseinandersetzungen zwischen religiösen und nicht-religiösen Gruppierungen, präzisiert Walthert.
Notre Dame wurde mit Spenden überschwemmt
Als vergangenen April das Pariser Wahrzeichen Notre Dame lichterloh brannte, flatterten Unmengen von Spenden ins Gotteshaus. Die Kathedrale wurde in den ersten zwei Tagen nach dem Spendenaufruf schon mit einer Milliarde Euro unterstützt.
Australien: Wahrscheinlich Nicht die brennenden Wälder sind das Schlimmste, sondern unsere Gleichgültigkeit gegenüber der Zukunft 🌎 wie viel war nochmal die spende für kathedrale notre dame?
— 3D (@MYeyin1) January 17, 2020
Diese hohen Spendenbeiträge sorgten für Furore. Schliesslich gebe es weitaus wichtigere Anliegen, die man mit finanziellen Beiträgen unterstützen könnte. So lautete die Botschaft der Internetgemeinschaft.
Dass sich die finanziellen Beiträge für Nantes auf ähnlicher Höhe belaufen werden, scheint bisher unwahrscheinlich. Trotzdem ist am Beispiel der Pariser Kathedrale ersichtlich, wie hoch die Solidarität mit geschichtsträchtigen Gebäuden sein kann.