Weidmann und Lagarde weiter zuversichtlich für 2021
Wirtschaftsprognosen sind ohnehin eine unsichere Sache - weil die Zukunft naturgemäss ungewiss ist. Das gilt erst recht in einer unkalkulierbaren Pandemie. Wann die Wirtschaft nach der tiefen Rezession 2020 wieder auf Vorkrisenniveau arbeitet, bleibt offen.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Präsidentin Christine Lagarde bleiben optimistisch, dass sich die Wirtschaft im Laufe dieses Jahres aus dem tiefen Konjunkturtal schleppen kann - trotz der verschärften Corona-Lockdowns in Deutschland und Europa.
«Wenn es gelingt, die Pandemie im Verlauf des Jahres zunehmend in den Griff zu bekommen und die Eindämmungsmassnahmen gelockert werden können, wird sich die Erholung der deutschen Wirtschaft fortsetzen», sagte Weidmann der «Augsburger Allgemeinen» (Samstagausgabe).
«Die wirtschaftliche Erholung hat sich zwar verzögert, ist aber nicht aufgehalten», sagte Lagarde der Sonntagszeitung «Journal du Dimanche». Man gehe von einem Aufschwung Mitte des Jahres aus, auch wenn weiterhin noch viele Unsicherheiten bestünden. Man sei vor noch unbekannten Risiken allerdings nicht sicher, warnte sie.
«Um es klar zu sagen: Wir werden nicht vor Mitte 2022 zu den wirtschaftlichen Aktivitäten vor der Pandemie zurückkehren», so Lagarde. Ähnlich hatte sich die Bundesregierung unlängst bei der Vorstellung des Jahreswirtschaftsberichtes geäussert. Weidmann ist aus heutiger Sicht für die grösste Volkswirtschaft der Eurozone zuversichtlicher: «Demnach könnte die deutsche Wirtschaft Anfang 2022 wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen.»
Die deutsche Wirtschaft war 2020 um 5 Prozent eingebrochen, fast so heftig wie 2009 nach der globalen Finanzkrise. Allerdings hat es die anderen grossen Volkswirtschaften im Euroraum heftiger erwischt, wie zum Beispiel Frankreich und Italien mit mehr als 9 Prozent und Spanien mit sogar mehr als 12 Prozent Minus. Auch zum Jahresende zeigt sich die deutsche Wirtschaft mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 0,1 Prozent zum Vorquartal deutlich robuster. Für den gesamten Euroraum nimmt die europäische Statistikbehörde Eurostat für das Schlussquartal 2020 einen Wert von minus 0,7 Prozent an.
Weidmann sagte, zuletzt habe sich die Industrie robust gezeigt, was auch an der weltweiten Nachfrage nach deutschen Produkten gelegen habe. «Das ist ein Grund, weshalb die deutsche Wirtschaft im laufenden Quartal nicht allzu weit zurückgeworfen werden sollte», sagte er. «Daher sind unsere Volkswirte zurzeit der Auffassung, dass wir unsere Prognose vom Dezember nicht grundsätzlich revidieren müssen.»
In ihrer Dezember-Prognose war die die Bundesbank davon ausgegangen, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Anschluss an einen erneuten Dämpfer im Winterhalbjahr 2020/2021 infolge der Einschränkungen des öffentlichen Lebens «wieder kräftig zulegen wird». Allerdings erwarteten die Ökonomen der Notenbank für 2021 nun mit 3,0 Prozent Wirtschaftswachstum etwas weniger als in ihrer Juni-Prognose (3,2 Prozent). 3 Prozent lautet auch die aktuelle Prognose der Bundesregierung für 2021, nach noch 4,4 Prozent im Herbst. Die Bundesregierung weist auf ein gespaltenes Konjunkturbild hin. Während sich die Industrie - die vor allem im Export stark ist - weiter robust zeige, sei der Dienstleistungssektor vor dem Hintergrund des Lockdowns stark betroffen.
Für 2022 rechnet die Bundesbank mit 4,5 (Juni-Prognose: 3,8) Prozent Wachstum. In einem ungünstigeren Szenario werde das Bruttoinlandsprodukt der grössten Volkswirtschaft Europas erst Ende 2023 das Vorkrisenniveau erreichen, hiess es allerdings im Dezember auch.
Weidmann wie Lagarde weisen daraufhin hin, dass die Unsicherheiten für die wirtschaftlichen Aussichten aufgrund der Pandemie hoch seien. «Prognosen sind zurzeit alles andere als einfach. Denn die Wirtschaftsentwicklung hängt entscheidend vom Verlauf der Pandemie ab und ist entsprechend unsicher», sagte Weidmann der «Augsburger Allgemeinen».
Lagarde zeigte sich derweil überzeugt, dass die Coronakrise die Europäische Union gestärkt hat. «Die Entscheidung der Mitgliedsstaaten, zum ersten Mal gemeinsam Kredite aufzunehmen, war ein aussergewöhnlicher Moment des Zusammenhalts in der Geschichte der europäischen Integration», sagte sie. Nun müsse das Tempo aber unbedingt beibehalten werden.
Nach der Krise werde die Situation heikel sein, man dürfe dann nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, betonte sie. Man müsse die Volkswirtschaften flexibel und allmählich abnehmend unterstützen, wenn die Pandemie abklinge und die Erholung einsetze. «Die Wirtschaft wird dann wieder lernen müssen, wie sie ohne die ausserordentlichen durch die Krise notwendig gewordenen Hilfen funktioniert.»