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Wenn der Rubel nicht mehr rollt: Russlands Zentralbank

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Ukraine,

Der Westen reagiert mit Härte auf Putins Krieg gegen die Ukraine. Auf einen Grossteil seiner milliardenschweren Reserven bei der Zentralbank kann Russland nicht mehr zugreifen.

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Die Europäische Union hat scharfe Sanktionen gegen die russische Zentralbank in Kraft gesetzt. - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Schlangen an den Geldautomaten, der Rubel im freien Fall - die scharfen Finanzmassnahmen des Westens gegen Russland zeigen Wirkung.

Was Moskau besonders treffen dürfte: Es werden nicht nur grosse russische Geschäftsbanken vom weltumspannenden Swift-Netzwerk abgeklemmt und damit von einem schnellen Datenabgleich bei grenzübergreifenden Zahlungen. Auch die russische Zentralbank kann de facto an westlichen Finanzmärkten nicht mehr handeln.

An Vermögen, das die Moskauer Zentralbank in der Europäischen Union, Grossbritannien, den USA und Kanada gebunkert hat, kommt sie nun nicht mehr heran. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel sagte am Sonntag in der ARD: «Das sind die stärksten Massnahmen, die ich so kenne, die jemals international ergriffen wurden, und die werden ihre Wirkung nicht verfehlen.»

Wie gross sind die Devisenreserven?

Die russische Zentralbank verfügt nach eigenen Angaben über Reserven im Gesamtwert von umgerechnet gut 630 Milliarden Dollar (Stand Mitte Februar): US-Dollar, Euro, chinesische Yuan, Staatsanleihen, Gold. Theoretisch könnte Moskau damit seine Importe mehr als zwölf Monate lang bezahlen, rechnete Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer vor. Allerdings lagert dieser Schatz zum Grossteil bei westlichen Zentralbanken und Geschäftsbanken. Der jüngsten Statistik zufolge hält die Moskauer Zentralbank Wertpapiere im Volumen von gut 311 Milliarden Dollar im Ausland. Zudem liegen rund 152 Milliarden Dollar als Bargeld oder Einlagen bei anderen Zentralbanken oder bei Banken ausserhalb Russlands.

Warum sind Devisenreserven überhaupt wichtig?

Devisenreserven haben grosse Bedeutung für die Fähigkeit einer Notenbank, Geld- und Währungspolitik zu betreiben. «Klassischerweise ist der Grossteil der Devisenreserven in Staatsanleihen gebunden. Vor allem US-Anleihen und Bundesanleihen sind gefragt, weil man dafür am Markt eigentlich immer einen Käufer findet, falls man sie zu Geld machen will», erklärt Christian Apelt, Devisenexperte der Landesbank Helaba. «In normalen Zeiten würde die russische Zentralbank zum Beispiel Dollar-Anleihen am Markt verkaufen und für den Erlös Rubel zurückkaufen, um die eigene Währung zu stützen.» Mit der Entscheidung des Westens sei ein Teil der Vermögenswerte, die den Wert des Rubels darstellen, infrage gestellt, sagt Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank.

Welche Sanktionen wurden ergriffen?

Die USA, Kanada, Grossbritannien und die EU haben der Notenbank verboten, auf den in ihren Ländern lagernden Teil der Devisenreserven zurückzugreifen. Experten schätzen, dass 40 bis 55 Prozent der gesamten Reserven davon betroffen sind. «Wegen der Sanktionen müsste Russland auf Umwegen versuchen, seinen Devisenschatz zu Geld zu machen, denn die relevanten Börsen sind für die Russen nun verschlossen», sagte Helaba-Exerte Apelt.

Warum wird die russische Notenbank sanktioniert?

Die EU-Kommission gibt an, dass damit ein Unterlaufen anderer Strafmassnahmen verhindert werden soll. Auch Bankanalysten werten dies als Ergänzung der Sanktionen gegen grosse russische Geschäftsbanken. Deren Verbindung zum internationalen Bank-Informationssystem Swift soll gekappt werden. «Die russischen Banken bekommen also keine Einlagen mehr, es sei denn die Einlagen kommen über das eigene russische oder ein anderes Zahlungssystem», erläuterte DIW-Forscherin Dorothea Schäfer. «Kunden ausserhalb des eigenen russischen Zahlungssystems werden Gelder auf den Konten bei russischen Banken schnell abziehen wollen, oder schon abgezogen haben. Banken droht die Zahlungsunfähigkeit wegen Bank-Run. Das ist ja mit EU-Töchtern der Sberbank schon passiert.»

Wie haben Bankkunden in Russland reagiert?

In Moskau, St. Petersburg und anderen Städten gab es teils kein Geld mehr an Bankautomaten, auf der Sanktionsliste stehende Banken zahlten nichts mehr aus. Auch in Läden berichteten Verkäufer über massenhaft Probleme, als Kunden mit Geldkarten der gelisteten russischen Banken bezahlen wollten. An vielen Bankfilialen bildeten sich lange Warteschlangen, teils einige Hundert Meter lang, weil Menschen ihr Geld abheben wollten. Viele Russen müssen zum Monatsende etwa die Miete zahlen, die oft auch bar ausgehändigt wird, damit Vermieter die Summen an der Steuerbehörde vorbeischleusen können.

Droht russischen Banken nun die Pleite?

Die Europäische Zentralbank (EZB) warnte vor einer möglichen Pleite der Sberbank Europe AG mit Hauptsitz in Wien sowie deren Tochtergesellschaften in Kroatien und Slowenien. Den Instituten drohe das Geld auszugehen, weil Kunden in grossem Stil Geld abzogen.

Wie reagiert Russland auf die Lage?

Die Zentralbank in Moskau versichert seit Tagen, dass Russland auf alle politischen Szenarien vorbereitet sei, Automaten auffüllen könne und auch Einlagen gesichert seien. Am Nachmittag kündigte die russische Zentralbankchefin Elwira Nabiullina Schritte an, um einen Abzug von Kapital zu stoppen: Wer keinen ständigen Wohnsitz in Russland hat, soll nur begrenzt Mittel ausführen dürfen. Der Kreml versuchte, die Lage zu beruhigen: «Bisher gab es noch nie einen Anlass, an der Effektivität und Verlässlichkeit unserer Zentralbank zu zweifeln», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Russland habe sich seit langer Zeit auf «mögliche Szenarien» vorbereitet – auch auf die schwersten Sanktionen, mit denen das Land jetzt konfrontiert sei.

Wie wirkt das Gesamtpaket der Sanktionen?

Das teilweise Einfrieren der Devisenreserven ist aus Sicht von Neil Shearing, Chefökonom von Capital Economics, ein vielleicht noch drastischerer Schritt als der Swift-Ausschluss der Geschäftsbanken. Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Postbank, erklärt: «Man will damit vermeiden, dass die Zentralbankreserven zur Zahlung für Dritte oder zur Stabilisierung des russischen Rubels eingesetzt werden können.» Der russische Rubel verlor am Montag stark an Wert und fiel gegenüber dem US-Dollar auf ein Rekordtief. Ein Dollar kostete im Gegenzug rund 100 Rubel, nach etwa 84 Rubel am Freitag.

Ein ranghoher Vertreter des Weissen Hauses formulierte es am Montag so: «Putins Kriegskasse von Reserven im Wert von 630 Milliarden US-Dollar ist nur von Bedeutung, wenn er sie einsetzen kann, um seine Währung zu verteidigen, insbesondere um diese Reserven im Austausch für Rubel zu verkaufen.» Und dies sei nun nicht mehr möglich.

Wie reagiert die russische Notenbank?

Die Zentralbank hat am Montag gleich mehrere Schritte ergriffen. Insbesondere hob sie ihren Leitzins drastisch um 10,5 Prozentpunkte auf 20 Prozent an. Die Währungshüter erklärten, die höheren Zinsen sollen dem Abwertungsrisiko des Rubel und Inflationsgefahren entgegenwirken. Höhere Zinsen belasten aber auch die wirtschaftliche Entwicklung, die schon aufgrund der Wirtschaftssanktionen des Westens stark leiden dürfte. Das russische Finanzministerium führte darüber hinaus eine Pflicht für Unternehmen ein, Teile ihrer Erlöse in Fremdwährung zu veräussern. Die Massnahme dürfte ebenfalls darauf abzielen, den Kurssturz des Rubel zu begrenzen.

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