Wer ist schuld am Reise-Chaos am BER?

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Deutschland,

Lange Warteschlangen und verpasste Flieger - das Chaos am Berliner Flughafen hat zu gegenseitigen Schuldzuweisungen geführt. Gewerkschaft und Verband sehen hingegen ein grundsätzliches Problem in der Branche.

Passagiere am Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg «Willy Brandt» (BER) vor der Sicherheitskontrolle. Verärgerte Fluggäste mussten etwa am Samstag zum Teil mehr als zwei Stunden auf das Einchecken warten. Foto: Christoph Soeder/dpa
Passagiere am Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg «Willy Brandt» (BER) vor der Sicherheitskontrolle. Verärgerte Fluggäste mussten etwa am Samstag zum Teil mehr als zwei Stunden auf das Einchecken warten. Foto: Christoph Soeder/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Reisechaos am BER: Rund ein Jahr nach Eröffnung war der neue Flughafen der Hauptstadtregion am Wochenende erstmals völlig überlastet.

Verärgerte und frustrierte Fluggäste mussten etwa am Samstag zum Teil mehr als zwei Stunden auf das Einchecken warten oder verpassten sogar ihre Maschinen. Für ankommende Flieger fehlten immer wieder die mobilen Ausstiegstreppen. Die Gründe betreffen indes die ganze Branche.

Zu Beginn der Herbstferien in Berlin und Brandenburg reisten allein am Freitag nach Angaben eines Flughafensprechers erstmals in der Pandemie wieder rund 67.000 Passagiere über den BER. Am Samstag waren es demnach 55.000 und am Sonntag 66.000. Vom Vorkrisen-Niveau sind solche Zahlen noch weit entfernt. Für den Flughafen waren es in dieser Phase dennoch schon zu viele.

Schuldfrage bislang ungeklärt

Die Schuld dafür suchten alle Beteiligten am Montag beim jeweils anderen. So wies die Lufthansa auf fehlende Abfertigungskapazitäten hin. Die Fluggesellschaft habe beim Check-in die maximal mögliche Zahl von zwölf Schaltern geöffnet und zusätzliches Personal im Wartebereich eingesetzt, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Derzeit ist der Check-in besonders aufwendig, weil aufgrund der Pandemie die meisten Reisenden dort Corona-Tests oder Impfnachweise vorlegen müssen, um ihre Reise antreten zu können.

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg schob die Probleme am Wochenende deshalb vor allem auf Personalengpässe an den Schaltern, die am BER von den Fluggesellschaften besetzt werden. Vor allem wegen Krankmeldungen habe die Personaldecke dort «unter den Planungen» gelegen. So sei es vor allem am Samstag zu deutlich verlängerten Wartezeiten gekommen, obwohl an dem Tag weniger Menschen als am Freitag und Sonntag unterwegs waren. Auch bei den Bodenverkehrsdienstleistern fehlte es aufgrund von Krankheit demnach an Personal.

Nur eines von drei Terminals geöffnet

Am BER ist derzeit aus Kostengründen nur eines von drei Passagierterminals geöffnet: das Hauptterminal T1. Nach wie vor gehen die Verantwortlichen aber davon aus, dass die Kapazitäten dort ausreichen, solange die Personaldecke nicht zu dünn wird. Eine kurzfristige Öffnung des im vergangenen Jahr fertiggestellten Terminals T2 sei derzeit nicht geplant.

Tatsächlich ist es vor allem der Personalmangel, der die gesamte Luftfahrtbranche in Deutschland vor Herausforderungen stellt. «Durch Kurzarbeitszeitregelungen an den Flughafenstandorten wegen des mehrmaligen Lockdowns haben viele Beschäftigte das Arbeitsverhältnis gelöst oder stehen durch ausgelaufene Verträge nicht mehr zur Verfügung», stellt der Flughafenverband ADV fest. «Neueinstellungen für Unternehmen mit Kurzarbeit sind zumeist nicht möglich.» Zu angespannt sei die wirtschaftliche Lage der Unternehmen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sieht ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. «Wir haben beim Neustart in allen Bereichen zu wenig Leute», sagt Verdi-Luftfahrtexpertin Mira Neumaier. Sie hatte schon zum Sommerbeginn gewarnt: Während der Krise hätten 16 Prozent der Luftverkehrsbeschäftigten die Branche dauerhaft verlassen. Bei den Bodenverkehrsdiensten mit ihren harten und gering bezahlten Jobs sei es sogar fast die Hälfte gewesen. Ein Neustart des Luftverkehrs werde selbst bei nur 50 Prozent des Vorkrisen-Niveaus nicht leistbar sein.

«Rattenrennen» um die niedrigsten Kosten und Löhne

Die Gewerkschaft verlangt nun ein Zurückdrehen des aus ihrer Sicht künstlich geschaffenen Wettbewerbs der Abfertiger an den Flughäfen, der zu einem «Rattenrennen» um die niedrigsten Kosten und Löhne geführt habe. «Das System ist kaputt und hat sich als nicht krisenfest erwiesen», sagt Neumaier. An seine Stelle müsse eine nachhaltige Infrastrukturplanung treten. Die Verhandlungen für einen umfassenden Branchentarifvertrag waren im vergangenen Jahr unter dem Eindruck der Corona-Krise abrupt gescheitert.

Die aufwendigeren Abfertigungsprozesse und den Personalmangel spüren die Fluggäste nicht nur am BER. In der laufenden Saison seien trotz der im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit geringeren Passagierzahlen immer wieder Probleme an diversen Stellen aufgetreten, sagt ein Sprecher der Lufthansa-Tochter Eurowings. Mal stockte es an den Sicherheitskontrollen, oder es fehlten Gepäcklader. Am Flughafen Palma de Mallorca habe Eurowings daher die Konsequenzen gezogen und ein eigenes Abfertigungsunternehmen mit rund 250 Beschäftigten gegründet, die seit Mai für einen weitgehend reibungslosen Ablauf sorgten.

Auch am grössten deutschen Flughafen Frankfurt kam es im Sommer an einzelnen Verkehrsspitzen zu Personalengpässen bei der Flugzeugabfertigung, so dass sämtliche Kurzarbeit in dem Bereich gestoppt und neue Leute gesucht wurden. Auch am vergangenen Wochenende habe es mit rund 130.000 Fluggästen pro Tag einen starken Andrang gegeben, der aber nicht zu überlangen Wartezeiten geführt habe. «Wir hatten alle Hände an Deck», erklärt ein Sprecher der Betreiberin Fraport.

Extra 150 Neueinstellungen

Trotz rund 150 Neueinstellungen arbeiten in der Abfertigung nach Fraport-Angaben nur rund 5600 Menschen - 2000 weniger als vor zwei Jahren. Erst in den Jahren 2025/2026 werde man wieder das alte Verkehrsniveau erreichen und damit auch die frühere Personalstärke. Bis dahin arbeitet Fraport mit Aushilfen aus anderen Bereichen und Sonderschichten. Auch am BER rechnen die Betreiber erst für 2025 mit einer Normalisierung des Passagieraufkommens. Für Reisende und Beschäftigte dürfte es also zunächst stressig bleiben.

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