Angst vor dem Supervirus: Machen Mutationen Sars-CoV-2 gefährlicher?
Eine Analyse aus den USA lässt aufhorchen: Sars-CoV-2 könnte zu einer noch gefährlicheren Variante mutiert sein, heisst es da. Experten haben daran Zweifel.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein nicht begutachtete Studie des Scripps Research Institutes warnt vor Virus-Mutationen.
- Die D614G-Mutation des Coronavirus aus Europa könnte ansteckender als die aus China sein.
- Andere Forscher bleiben gelassen. Sie schätzen die Gefahr als gering ein.
Zig Millionen Menschen hat das vor etwa einem halben Jahr aufgetauchte Coronavirus schon infiziert – mutiert es und wird gefährlicher? In einer Preprint-Veröffentlichung schliessen US-Forscher aus Genomanalysen, dass die sogenannte D614G-Mutation das Virus infektiöser macht.
Unter Laborbedingungen könne der Erreger mehr Zellen infizieren, berichtete das Team kürzlich. Die Studie von Forscher des amerikanischen Scripps Research Institutes ist aber noch nicht begutachtet.
Keine Beweise, dass sich Virus mit Mutation schneller verbreitet
Die D614G-Mutation sei in den in Europa kursierenden Virusstämmen tatsächlich präsent, erklärt Richard Neher von der Universität Basel dazu. «Aus dieser Dominanz lässt sich aber nicht schliessen, dass sich das Virus mit der Mutation schneller verbreitet.»
Die Dominanz sei nicht zwingend auf eine höhere Übertragungsrate zurückzuführen, sondern den Zufall, erklärt der Leiter der Forschungsgruppe Viren-Evolution: Die D614G-Virusvariante habe am Beginn einzelner grösserer Ausbrüche gestanden und sich in der Folge stärker ausgebreitet als andere Varianten. «Zufälle spielen gerade am Anfang eine unglaublich grosse Rolle.»
Generell seien Mutationen bei dem Coronavirus nicht ungewöhnlich, betont Neher. In seinen 30'000 Basen komme es im Mittel alle zwei Wochen zu einer Mutation. Damit sei die Mutationsrate pro Base niedriger als bei Influenza, wegen des grösseren Corona-Genoms sei der Wert aber fast gleich.
Neue Welle in China kam aus dem Ausland
Durch Mutationen könne man darauf schliessen, ob zwei Ausbrüche zusammenhängen – Infektionsketten von Mensch zu Mensch seien darüber nicht nachzuvollziehen. Beim jüngsten Ausbruch in Peking lassen Genomvergleiche darauf schliessen, dass der Erreger von aussen ins Land eingeschleppt wurde.
Sars-CoV-2 sei schon sehr gut an den Menschen angepasst, sagt Friedemann Weber, Direktor des Virologie-Instituts an der Justus-Liebig-Universität Giessen. «Da frage ich mich schon, was braucht es mehr?» Laut einer aktuellen Studie verleihe die D614G-Mutation allerdings etwas mehr Stabilität, dies könne für die Partikel durchaus ein Vorteil sein.
Derzeit sei weltweit kein einziges Virus-Isolat mit veränderter Pathogenität bekannt, betont Neher auch. «Wir können nicht ausschliessen, dass es sie gibt, es ist aber eher unwahrscheinlich.» Sein Team hat die Webanwendung «Nextstrain» entwickelt, mit der sich über eingespeiste Genomsequenzen die Ausbreitung verfolgen lässt. Die Software analysiert, wie sich ein Erreger verändert, also welche Mutationen er während der Ausbreitung ansammelt.