Coronavirus: AstraZeneca-Impfstoffs in 18 Staaten abgesetzt
Das Wichtigste in Kürze
- Schon 18 Staaten haben den AstraZeneca-Impfstoff vorübergehend abgesetzt.
- Warum die drastische Massnahme? Sind die Zweifel berechtigt? Wie geht es weiter?
- Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten.
Das Vertrauen in den Corona-Impfstoff von AstraZeneca schwindet weiter. Bis am Sonntag hatten zehn Ländern einen Unterbruch des britischen Vakzins verordnet. Am Montag kamen mit Frankreich, Deutschland, Italien und am Abend mit Spanien, Portugal, Zypern, Lettland und Slowenien weitere acht Länder hinzu.
Insgesamt haben also bereits 18 Länder die Verabreichung des AstraZeneca-Impfstoffs vorübergehend abgesetzt. Es handle sich um eine «Vorsichtsmassnahme», machte etwa der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag klar.
Weiter an AstraZeneca hält laut mehreren Medienberichten vorläufig Österreich fest. Das Land stoppte aber die Verwendung von bestimmten Chargen und forderte ein gesamteuropäisches Vorgehen. Auch Tschechien und Polen halten an dem Vakzin aus Oxford fest. Das Gleiche gilt für Kanada, Australien und Grossbritannien.
Einige Länder setzen also weiter auf AstraZeneca, während andere einen vorübergehenden Stopp anordneten. Sind die Zweifel berechtigt oder nicht? Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Was war geschehen?
Dänemark hatte vergangene Woche als erstes Land den Einsatz des AstraZeneca-Vakzins gestoppt. Zuvor waren bei einigen Geimpften Blutgerinnsel (Thrombosen) aufgetreten. Eine Person entwickelte sogar mehrere Gerinnsel und verstarb 10 Tage nach der Verabreichung einer Dosis.
Die Gesundheitsbehörden in dem Land verfügten eine Suspendierung des Impfstoffs für zwei Wochen. In dieser Zeit sollten die Fälle genau untersucht werden. Sie hielten fest: «Es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den Blutgerinnseln gibt.»
Was für Thrombosen sind es genau?
Bei den beobachteten Thrombosen handelt es sich um sogenannte Sinusvenenthrombosen. Dabei verstopft ein Blutgerinnsel eine grosse Vene im Gehirn, in der eigentlich sauerstoffarmes Blut Richtung Herz fliesst.
Durch die Verstopfung kann sich das Blut stauen. Dadurch drohen unter anderem Sauerstoffmangel und Durchblutungsstörungen im Gehirn. Sinusvenenthrombosen verursachen rund ein Prozent aller Schlaganfälle.
Die Prognose ist im Vergleich zu anderen Schlaganfallformen relativ günstig, dennoch sterben bis zu zehn Prozent der Betroffenen. Zu den Risikofaktoren zählen unter anderem hormonelle Verhütungsmittel.
Eine Besonderheit der beobachteten Thrombosen nach den Impfungen ist laut dem «Spiegel», dass sie zusammen mit einem Mangel an Blutplättchen aufgetreten waren, einem der wichtigsten Bestandteile der Blutgerinnung. Einzelfälle von Sinusvenenthrombosen wurden auch bei Covid-19 beschrieben.
Wie machen sich die Thrombosen bemerkbar?
Sehr häufig sind laut Experten Kopfschmerzen. Bei rund 40 Prozent kommt es zu epileptischen Anfällen und Lähmungen einzelner Muskeln. Möglich sind auch neurologische Beschwerden wie Sehstörungen, Übelkeit, sein steifer Nacken oder Sprachstörungen. Werden die Thrombosen schnell erkannt, folgt eine Behandlung mit Medikamenten. Diese hemmen die Blutgerinnung.
Laut dem Paul-Ehrlich-Institut in Deutschland sollten «Personen, die den Covid-19-Impfstoff AstraZeneca erhalten haben und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühlen – zum Beispiel mit starken und anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen – sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben».
Wie häufig kam es nach AstraZeneca-Impfungen zu solchen Thrombosen?
In Deutschland wurden bei mehr als 1,6 Millionen Impfungen bislang sieben berichtete Fälle gemeldet, die im Zusammenhang mit dem Vakzin stehen könnten. Das entspricht ungefähr vier Fällen pro einer Million Geimpfter seit Anfang Februar. Drei Fälle mit Thrombosen sind tödlich verlaufen.
Dies sagte Klaus Cichutek, Präsident des zuständigen Paul-Ehrlich- Instituts am Montagabend in den ARD-«Tagesthemen».
Diese Häufung ist laut dem «Spiegel» zumindest auffällig, denn normalerweise tritt diese Art der Thrombose in der Bevölkerung innerhalb eines ganzen Jahres etwa zwei- bis fünfmal pro einer Million Personen auf.
In Grossbritannien, wo mit elf Millionen AstraZeneca-Dosen mehr als in jedem anderen verabreicht wurden, gab es Berichte über etwa 11 Fälle. Bei keinem konnte nachgewiesen werden, dass Thrombosen durch den Impfstoff verursacht wurden.
Auch AstraZeneca selbst hat als Reaktion auf die Aussetzungen ihres Impfstoffs eine Untersuchung eingeleitet und die Daten von 17 Millionen geimpften Menschen in Europa überprüft. Demnach wurden 37 Fälle von Menschen, die Blutgerinnsel entwickelten, festgestellt. Der Konzern sagte, es gebe «keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko» von Blutgerinnseln in jeder Altersgruppe oder jedem Geschlecht in jedem Land.
Gibt es Beweise?
Trotz der auffälligen Häufung fehlt bislang ein Nachweis für einen direkten Zusammenhang zwischen der AstraZeneca-Impfung und den Blutgerinnseln. Die Europäische Arzneimittelbehörde liess verlauten, dass es «keinen Hinweis darauf gibt, dass die Impfung diese Zustände verursacht hat.» Die Behörde der EU betonte letzte Woche, dass die Anzahl der thromboembolischen Vorfälle bei geimpften Personen nicht höher sei als in der Allgemeinbevölkerung.
Auch aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist der Unterbruch der AstraZeneca-Impfung in mehreren Ländern noch kein Alarmzeichen. Die Vorfälle seien nicht notwendigerweise auf das Impfen zurückzuführen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf. «Es ist eine Routine-Praxis, das zu untersuchen.» Ghebreyesu hielt zudem fest, dass die Massnahmen zeigen würden, dass das Überwachungssystem funktioniere und wirksame Kontrollen stattfänden.
Die WHO hielt am Montagabend zudem ebenfalls fest, dass es nach den bisher vorliegenden Daten keine Häufung schwerwiegender medizinischer Vorfälle gebe. «Bisher haben wir keine Verbindung zwischen den Ereignissen und den Impfungen gefunden», so Expertin Soumya Swaminathan.
Einige Ärzte weisen zudem darauf hin, dass zunächst Menschen geimpft wurden, die mit grösserer Wahrscheinlichkeit bereits gesundheitliche Probleme haben. Laut Experten, könnte es dieser Umstand schwierig machen, festzustellen, ob eine Impfung für die Thrombosen verantwortlich war.
Wie geht es nun weiter?
Eine Fachgruppe der WHO zur Impfstoffsicherheit analysiert die Daten und wird sich am Dienstag mit Vertretern der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) beraten. Die EMA selbst will zudem an einer Sondersitzung am Donnerstag die vorliegenden Informationen über den AstraZeneca-Impfstoff bewerten.