Coronavirus: Kommt bald die Pille?
Das Wichtigste in Kürze
- Weltweit wird mit Hochdruck an einer Impfung gegen das Coronavirus geforscht.
- Im Stillen arbeiten Wissenschaftler zudem an einem Hemmstoff.
- Dieser soll bei einer Infektion die Vermehrung des Virus stoppen.
Die ganze Welt forscht nach einem Impfstoff, um einer Infektion mit dem Coronavirus vorzubeugen. Doch was, wenn man sich bereits angesteckt hat? Selbst die bisher vielversprechendsten Mittel bieten keinen 100 prozentigen Schutz.
Während die Aufmerksamkeit auf den Impfstoffen von Moderna, Pfizer/Biontech und AstraZeneca liegt, gibt es einen weiteren wichtigen Wettlauf. Forscher aus der ganzen Welt suchen nach einer Pille, um die Vermehrung des Erregers zu stoppen.
Pfizer-Mittel hemmt Vermehrung von Coronavirus
Daran beteiligt sich auch die deutsche Virologin Meike Dittmann von der New York University School of Medicine. Sie verzeichnete sogar schon erste Erfolge: Eine Substanz des Pharmaunternehmens Pfizer konnte die Vermehrung von Sars-CoV-2 erfolgreich einschränken. «Ich schätze den Hemmstoff mittelfristig als sehr vielversprechend ein», jubelt Dittmann gegenüber dem «Spiegel».
Doch das eingesetzte Mittel hat einen grossen Nachteil. Antivirale Wirkstoffe haben gegenüber einer Impfung den Vorteil, dass sie nicht zwingend gespritzt werden müssen. Das gilt jedoch nicht für die von Dittmann gewählte Substanz PF-00835231. Der Pfizer-Hemmstoff muss ebenfalls gespritzt werden.
Ein Hemmstoff gegen das Coronavirus in Pillenform könnte einfach gelagert und eingenommen werden. «Die intravenöse Verabreichung muss im Krankenhaus geschehen», gibt Dittmann zu denken. Dies würde den Wirkstoff nicht allgemein verfügbar machen. Zudem müsste das Mittel gleich zu Beginn der Infektion verabreicht werden, um die stärkste Wirkung zu entfalten.
Wirkstoff gegen alle Corona-Varianten
Auf der Suche nach einem geeigneten Hemmstoff richten Wissenschaftler ihre Forschungen weitgehend auf eine bestimmte Protease, ein Enzym aus. Dieses ist für die Spaltung von Proteinen und somit für die Vermehrung von Sars-CoV-2 zuständig. Wird die Vermehrung des Virus gestoppt, endet somit auch sein Lebenszyklus.
Dieser Ansatz hat zudem einen weiteren Vorteil. Alle bisher bekannten Varianten des Coronavirus weisen eine fast identische Protease auf. Diese unterscheidet sich ausserdem deutlich von der des Menschen, weshalb kaum Nebenwirkungen zu erwarten sind. So könnte ein allfälliger Sars-CoV-2-Wirkstoff künftig auch gegen andere Varianten eingesetzt werden.
Pille steht vor Herausforderungen
Auf der Suche nach der Anti-Corona-Pille stellen sich den Forschern jedoch noch zahlreiche Hindernisse. So muss der Wirkstoff nach dem Schlucken auch den Weg zur Protease finden. Problematisch ist dabei eine körpereigene Membran, welche das Enzym umgibt.
Da diese fetthaltig ist, darf die Substanz nicht zu wasserlöslich sein.
Ein weiteres Problem birgt das P-Glykoprotein. Diese Pumpe befördert körperfremde Wirkstoffe aus der Zelle hinaus und könnte somit den Hemmstoff abblocken.
Als Gegenmassnahme könnte der Corona-Hemmstoff mit einem P-Glykoprotein-Hemmstoff kombiniert werden, erklärt der Biochemiker Rolf Hilgenfeld gegenüber dem «Spiegel». Dadurch wird der Wirkstoff aber nur noch komplizierter.
Protease-Experte ist zuversichtlich
Hilgenfeld hat an der Universität Lübeck bereits vor mehr als 20 Jahren mit der Untersuchung der Protease von Coronaviren begonnen. Seine Ergebnisse bilden nun die Grundlage für Forschungsarbeiten weltweit.
Der 66-Jährige arbeitet mittlerweile als Seniorprofessor am Lübecker Campus und beteiligt sich an der Entwicklung von Corona-Therapien. In Anbetracht der aktuell laufenden Experimenten zeigt er sich gegenüber einer Pille zuversichtlich. «Da wird jetzt so viel Power investiert, dass da etwas herauskommen muss», wird er vom «Spiegel» zitiert.