Infektiologin: Masken wegen Coronavirus auch 2021 noch notwendig
Das Wichtigste in Kürze
- Das Pharmaunternehmen Biontech verspricht beim Impfstoff einen 90-prozentigen Schutz.
- Eine deutsche Infektiologin warnt davor, die Corona-Pandemie jetzt zu locker zu nehmen.
- Sie sagt, dass wir uns mindestens für nächstes Jahr an die Maske gewöhnen müssen.
Darauf hat die Welt gewartet! Das Pharmaunternehmen Biontech verspricht einen Impfstoff, der zu 90 Prozent vor dem Coronavirus schützen soll. Ist die Pandemie dank des Impfstoffes bald Geschichte? Eine deutsche Infektiologin bremst die Euphorie gleich wieder.
Marylyn Addo vom Uniklinikum Hamburg glaubt: «Wir werden mit dem Virus und dem Maskentragen weiterhin leben müssen, zumindest noch im kommenden Jahr.» Die Pandemie sei wegen des von Biontech entwickelten Corona-Impfstoffs nicht von heute auf morgen vorbei. Die Zwischenergebnisse seien aber ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung, sagt sie im Interview mit dem «Spiegel».
Impfstoffe seien wichtige Massnahme bei der Bekämpfung der Pandemie
Marylyn Addo bedauert, dass immer wieder so kommuniziert werde, als ob das Coronavirus verschwinden würde, sobald ein Impfstoff da ist. «Das ist ein Trugschluss», sagt die Impfstoffforscherin im «Spiegel»-Interview. Die Impfstoffe seien lediglich eine weitere wichtige Komponente in der Bekämpfung des Coronavirus.
Demnach ist das Infektionsgeschehen deutlich geringer, je mehr Menschen geimpft werden. Bis zur Normalität ist es aber ein langer Weg. Die globale Ausbreitung sei zu stark, man müsse sich wohl oder übel daran gewöhnen.
Weiter sagt die Virologin, dass die Probanden der Biontech-Studie noch nicht gegen das Coronavirus geschützt seien. Dazu müssten erst ein paar Wochen abgewartet werden, um sicherzugehen, dass die Antikörper wirken. Es sei ungewiss, ob der Impfstoff vollständig schützt.
Die Signale der Studie bezeichnet die Virologin als «sehr erfreulich». Sie wolle mit einer Beurteilung allerdings zuwarten, bis exakte Daten vorhanden sind. So oder so ist die Pandemie laut Addo, die eine Zeit lang in Lausanne studiert hat, nicht automatisch vorbei.
Abschliessende Beurteilung erst in ein paar Monaten
Ins gleiche Horn bläst ihr Virologie-Kollege Oliver Keppler von der Universität München. Er zeigt sich vorsichtig optimistisch. Bei «BR24» sagte er: «Es sieht so aus, als wäre dieser Impfstoff wirksam.» Euphorie sei deswegen aber fehl am Platz.
Laut Keppler gibt es bisher weltweit keine Impfung, welche nach dem gleichen Prinzip funktioniert. Beim neuen Verfahren würden nicht Erreger, sondern «ein Bauplan für ein Eiweissmolekül» gespritzt, erklärt der Forscher. Ziel ist es, dass das Immunsystem daraufhin Antikörper produziert.
Keppler ist bezüglich der Länge der Immunität und den Nebenwirkungen skeptisch. In der TV-Sendung sagt er: «Das wird noch Monate oder gar Jahre dauern, bis wir das wirklich abschliessend beurteilen können».
Impfstoff könnte Umgang mit dem Coronavirus massgeblich verändern
Deutlich euphorischer reagiert Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln auf die Neuigkeit von Biontechs Impfstoff. Der Infektiologe hofft im «Kölner Stadt-Anzeiger» auf die rasche Zulassung des Impfstoffs. Fätkenheuer geht davon aus, dass der Durchbruch von Biontech den Umgang mit dem Coronavirus massgeblich verändern wird.
Da der Impfstoff dringend benötigt wird, gilt ein beschleunigter Zulassungsprozess bei Corona-Impfstoffen. Biontech will sich schon in der kommenden Woche an die US-Arzneimittelbehörde wenden. Bis Ende Jahr könnten 50 Millionen, im nächsten Jahr sogar 1,3 Milliarden Impfdosen bereitstehen.
Schweizer Infektiologe will publizierte Studie abwarten
Ähnlicher Ansicht ist auch Manuel Battegay vom Unispital Basel. Der Infektiologe ist Mitglied der «Swiss Covid Task-Force» und hofft auf genauere Resultate.
Gegenüber der SRF-«Tagesschau» sagt Battegay am Montag: «Es ist eine gute Nachricht, die zuversichtlich stimmt. Wir müssen aber die publizierte Studie mit den detaillierten Ergebnissen abwarten.»
Man müsse zuerst wissen, ob der Impfstoff von Biontech ältere Menschen schützt. Zudem sei unklar, ob man auch vor schwerem Covid geschützt ist.