Nanoantikörper von Lamas und Co. begeistern Forscher
Tiere aus der Familie der Kamele verfügen über ganz besondere Antikörper. Mit ihnen lässt sich die Medizin in mehreren Bereichen revolutionieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Studierende fanden bisher unbekannte Antikörper in Dromedarblut.
- Bei Blutabnahmen im Brüssler Zoo wurden diese bei allen Kamel-Tieren entdeckt.
- Die Antikörper lassen sich in mehreren Bereichen gegen Krankheiten einsetzen.
Immer wieder gibt es Zufälle, die zu ganz unerwarteten Entwicklungen führen – so auch an der Freien Universität Brüssel. Dort sollten Studierende im Rahmen eines Praktikums Blut zur Identifikation und Isolierung von Antikörpern nutzen.
Aus damaliger Angst vor einer HIV- oder Hepatitis-Ansteckung, wollten sie jedoch nicht das Blut ihrer Kollegen verwenden. Die Lösung befand sich im Gefrierschrank: Dort lagerte noch eingefrorenes Dromedarblut.
Neuer Mini-Antikörper bei allen Kamel-Arten
Bei dessen Untersuchung bemerkten die Studierenden Erstaunliches: einen nie dagewesenen, neuen Antikörper. Mit nur zwei statt vier Aminosäure-Ketten weist er ein viel niedrigeres Molekulargewicht auf, wie das «SRF» berichtet.
Auf die Entdeckung folgte die Überprüfung – der Brüssler Zoo bot Blutabnahmen von seinen Lamas, Kamelen und Alpakas an. Und siehe da: Die besonderen Antikörper fanden sich bei allen Tieren der Familie der Kamele. Wie sich herausstellte, bilden die Tiere sie zur Virusbekämpfung, sobald ein Erreger sich im Organismus einnistet.
Wie Wissenschaftler wenig später feststellen, lässt sich die Spitze des Antikörpers abtrennen. Dabei verliert sie weder an Robustheit noch an ihrer Bindungsfähigkeit gegenüber Fremdkörpern. Der Mini-Antikörper wird zum Nanoantikörper.
Die Nanoantikörper begeistern seither die Wissenschaft: Dank ihrer Bindungsfähigkeit können sie als Marker zur Unterscheidung von krankem und gesundem Gewebe genutzt werden. Auch lassen sich Eiweissablagerungen im Gehirn mit ihnen feststellen.
Der Alleskönner: Marker, Diagnose, Therapie
Weiterhin erforscht werden präzise Krebstherapien sowie bessere Alzheimer-Diagnoseverfahren.
Bereits seit 2014 können die Antikörper erfolgreich bei Anthrax, dem Milzbrand, eingesetzt werden. Dabei durchdringen sie die Schutzhülle des schädlichen Bakteriums und zerstören es.
Mit dem Nanoantikörper Caplacizumab wird seit 2019 auch die Behandlung einer seltenen Blutgerinnungsstörung revolutioniert: Der Antikörper löst Blutgerinnsel in Organen und Geweben auf.
Mittlerweile sollen durch den Wegfall des Patentschutzes diverse weitere Anwendungsmöglichkeiten vor ihrer klinischen Zulassung stehen. Wie das «SRF» schreibt, haben sich mehrere Forschungszentren aufgrund des enormen Potenzials eigene Lama- und Alpaka-Herden zugelegt.