Recep Tayyip Erdogan siegt - was kommt nun auf die Türkei zu?
Erdogan ist wiedergewählt. Was sich nun in der Türkei ändert und wie es für das Land weitergehen könnte:
Das Wichtigste in Kürze
- Recep Tayyip Erdogan ist als Präsident der Türkei wiedergewählt.
- Das neue Präsidialsystem der Türkei ist gefährlich für die Demokratie in der Türkei.
- Mit Erdogan wird der Laizismus in der Türkei weiter verwässert.
Recep Tayyip Erdogan gewinnt die Präsidentschaftswahlen in der Türkei. Und dies, obwohl viele Vorwürfe von Wahlbetrug vorliegen. Diesen Sieg wird er sich aber nicht mehr nehmen. Laut offiziellen Ergebnissen ist eine knappe Mehrheit der Türken für den Weg Erdogan. Damit ist sein Plan vollends aufgegangen und die Umwandlung der Türkei von einem parlamentarischen in ein Präsidialsystem wird nun abgeschlossen.
Neues Präsidialsystem
Mit der Verfassungsreform, welcher die türkische Bevölkerung
2017 knapp zugestimmt hat, erhält Erdogan nun weitreichende Befugnisse:
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So wird der Präsident (Erdogan) gleichzeitig zum Staats-
und Regierungschef. Der Ministerpräsidenten-Posten wird abgeschafft.
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Neu darf der Präsident einer Partei angehören.
Erdogan wurde gleich kurz nach der Verfassungsreform als Parteivorsitzender der islamisch-konservativen AKP gewählt.
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Der Präsident hat mehr Einfluss auf die Justiz.
Er kann neu vier von 13 Amtspersonen im Rat der Richter und Staatsanwälte
bestimmen.
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Die Militärgerichte wurden abgeschafft.
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Der Präsident und das Parlament werden
gleichzeitig gewählt. Dies steigert die Wahrscheinlichkeit, dass der Präsident
auch über eine Mehrheit im Parlament verfügt. Die Amtsperiode beträgt 5 Jahre.
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Der Präsident kann seine Vizepräsidenten und Minister
selber bestimmen.
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Der Präsident kann Dekrete erlassen.
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Der Präsident kann für eine zweite Amtsperiode
wiedergewählt werden. Falls das Parlament zustimmt, ist eine dritte Amtszeit
möglich. Da Erdogan nun unter dem neuen Verfassungsgesetz widergewählt wurde,
zählt sie als seine erste Amtszeit.
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Der Präsident kann Gesetze des Parlaments per
Veto verhindern.
Mit dem Wahlsieg Erdogans wird nun in Stein gemeisselt, was faktisch schon Tatsache ist. Seit dem Putschversuch von Teilen des türkischen Militärs im Juli 2016 konnte er bereits im Ausnahmezustand per Dekreten regieren.
Gefährlich ist die neue türkische Verfassung allemal: Viele «checks and balances»-Mechanismen werden sind Kraft gesetzt. Konkret: Die Gewaltenteilung im Land wird bedeutend geschwächt. Etwa dadurch, dass die Richter nicht mehr unabhängig vom Präsidenten gewählt werden, oder das Parlament durch das Veto des Präsidenten blockiert werden kann. Dies ermöglicht es dem Präsidenten, sein Land mit einem autokratischen Führungsstil zu lenken. Hinzu kommt, dass in der Türkei ein weiteres wichtiges Kontrollorgan einer funktionierenden Demokratie ausser Kraft gesetzt wurde - dies der unabhängigen Medien.
Wie geht es weiter mit Erdogan?
Gut möglich, dass jetzt Erdogan seinen Wahlkampfmodus beendet und ruhigere Töne anschlägt. Etwa dadurch, dass er positive Signale aussendet und beispielsweise inhaftierte Journalisten und Oppositionelle frei lässt. Wichtig für das Land wäre auch, dass nun schnellstmöglich der Ausnahmezustand im Land beendet wird.
Dies wären ein Zeichen für westliche Staatschefs, dass nun Vernunft einkehrt am Bosporus und man die Beziehungen zu Erdogan wieder verbessern könnte. Denn klar ist: die kommenden fünf Jahre müssen sie sich nun weiterhin mit dem starken Mann am Bosporus abgeben. Und gerade beim grössten Zankapfel innerhalb der EU-Staaten – der Flüchtlingspolitik – ist man auf die Türkei angewiesen.
Klar ist auch, mit dem Präsidialsystem unter dem islamisch-konservativen Präsidenten Erdogan ist das Ende des Laizismus in der Türkei eingeläutet. Die strikte Trennung von Staat und Religion – die unter dem Staatsgründer Mustafa Kemal Attatürk eingeführt wurde – wird unter Erdogan weiter verwässert. Sein Politprogramm ist klar islamisch geprägt.