50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz – Warum so spät?
Am 7. Februar ist es so weit: Das Frauenstimmrecht in der Schweiz feiert seinen 50. Geburtstag. Doch weshalb wurde das Stimmrecht für Frauen so spät eingeführt?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz war eines der letzten Länder weltweit, die das Frauenstimmrecht einführten.
- Am kommenden Sonntag feiert das Frauenstimmrecht sein 50. Jähriges Jubiläum.
- Doch woran lag es, dass die Schweizer Frauen so lange nicht an die Urne konnten?
50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz. Das Thema offenbart die kontroverse Geschichte des Landes. Ausgerechnet die zweitälteste Demokratie der Welt gewährte als eines der letzten Länder weltweit Frauen ihre vollen Bürgerrechte.
In der einschlägigen Fachliteratur ist nachzulesen: Die frühe Demokratisierung 1848 war paradoxerweise gerade der Hauptgrund für die späte Einführung des Frauenstimmrechts.
Die Demokratie: Der Tod des Frauenstimmrechts
Während in anderen Staaten das Parlament dieses Recht einführte, konnte das in der Schweiz nur durch eine Verfassungsänderung geschehen. Diese erforderte zwingend einen Volksentscheid – und das Volk ist im Durchschnitt weniger aufgeklärt als die politische Elite.
Ausserdem hing der männliche Souverän an seinen Privilegien. Werner Seitz erläutert dies in seinem Buch «Auf die Wartebank geschoben». Die Konstruktion der republikanischen Männlichkeit sei in der Schweiz besonders ausgeprägt gewesen.
Frauenstimmrecht in der Schweiz: Totalrevision kam zu früh
Damit verbunden war folglich der Ausschluss der Frauen aus der Politik. Grund dafür sei die enge Verflechtung von Ideologie mit den männerbündlerischen Gründungsmythen der Eidgenossenschaft.
Im Zuge einer Totalrevision der Verfassung wäre die Einführung des Frauenstimmrechts relativ sanft, ohne viel Diskussion, vonstatten gegangen. Aber die erste Totalrevision kam 1874 zu früh und die zweite erfolgte erst wieder 1999.
Als kontraproduktiv für das Frauenstimmrecht in der Schweiz erwies sich laut Seitz auch die Einbindung der Frauen ins öffentliche Leben: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Frauenvereine gegründet, die im Armenwesen, der Mädchenbildung und der Krankenpflege tätig waren.
Einblicke in Verwaltungsabläufe
Diese meist bürgerlichen Frauen verfolgten eine sogenannt dualistische Strategie: Die dienende Rolle als Gattin, Hausfrau und Mutter wurde ins Öffentliche erweitert. Die politische Unmündigkeit der Frau wurde auf diese Weise zementiert.
Die politische Milizarbeit im Sozialbereich hatte aber laut Seitz auch ihr Gutes: Frauen erhielten Einblick in die Verwaltungsabläufe und in das Gesetzgebungsverfahren. Zudem konnten sie sich so politische Kompetenzen aneignen.
Das zahlte sich aus: Bei den ersten Wahlennach dem Ja für das Frauenstimmrecht in der Schweiz standen qualifizierte Frauen parat. Zehn Gewählte plus eine «Nachrückerin», immerhin fünfeinhalb Prozent, waren weiblichen Geschlechts. Und der Anteil wuchs kontinuierlich – jedenfalls im Nationalrat.
Im Ständerat, den kantonalen Regierungen und natürlich dem Bundesrat dauerte alles etwas länger. Elisabeth Kopp war 13 Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts die erste gewählte Bundesrätin.
Westschweizer Kantone als Vorreiter
Bei seiner Einführung das Frauenstimmrecht in der Schweiz eine erstaunliche Mehrheit: Am 7. Februar 1971 sagten 621'109 Schweizer Männer Ja zum Stimm- und Wahlrecht für Frauen. Das entsprach einem Anteil von 65,7 Prozent bei einer Stimmbeteiligung von 57,7 Prozent. Zu dem Zeitpunkt hatten Frauen bereits in neun Kantonen das kantonale und kommunale Stimm- und Wahlrecht.
Die Westschweizer Kantone übernahmen eine Vorreiterrolle: Die Waadt war 1959 der erste Kanton, der das kantonale Frauenstimmrecht einführte, im gleichen Jahr folgte Neuenburg und 1960 Genf. Diese drei (plus Basel-Stadt) hatten 1971 auch den höchsten Ja-Stimmen-Anteil - mit 82 bis 91,1 Prozent.
Appenzell Innerrhoden zögerte Entscheid hinaus
Beim ersten eidgenössischen Plebiszit für das Frauenstimmrecht in der Schwweizt 1959, betrug der Schweizer Durchschnitt 33,1 Prozent Ja-Stimmen. In Appenzell Innerrhoden waren nur 4,9 Prozent der Mannen dafür. 1971 sagten immerhin 28,9 Prozent Ja.
Nachdem Appenzell Ausserrhoden 1989 «wölzgott» das kantonale Frauenstimm- und Wahlrecht einführte, lehnten es die Innerrhoder 1990 zum dritten Mal ab.
Am 28. April 1991 durften erstmals Frauen an der Innerrhoder Landsgemeinde teilnehmen. «De Schotz ischt hönneusi», beklagten die Appenzeller Männer: Wenn die Frauen an der Landsgemeinde sind, wer kocht dann und schaut den Kindern?