Abbau in kriselnder Schweizer Stahlindustrie

Keystone-SDA
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Luzern,

Die Schweizer Stahlindustrie kämpft mit Schliessungen und Verlusten. Auch der Plan von Swiss Steel zum Verkauf von drei Stahlwerken in Frankreich ist geplatzt.

Schweizer Stahlindustrie ist bedroht.
Ein Produkt der Stahl Gerlafingen AG: Stahl-Armierungseisen, hier zum Abtransport bereit. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Die Schweizer Stahlindustrie steckt in der Krise. Mit Schliessungsmassnahmen in Gerlafingen und in Frankreich will sie die Verluste verringern. So hat der trudelnde Stahlhersteller Swiss Steel einen weiteren Tiefschlag erlitten. Der im Dezember angekündigte Plan zum Verkauf von drei Stahlwerken in Frankreich, der die Verluste hätte verringern sollen, ist geplatzt.

Die Tochtergesellschaft Ascometal habe die Verkaufsverhandlungen mit der italienischen Acciaierie Venete abgebrochen, teilte Swiss Steel am Mittwoch mit.

Damit sucht die zahlungsunfähige Ascometal nun gerichtlichen Schutz vor den Gläubigern. Die französische Tochter habe für jede Konzerngesellschaft um ein gerichtlich angeordnetes Restrukturierungsverfahren ersucht, erklärte Swiss Steel. Ziel sei es, die Liquidität der Ascometal-Gesellschaften zu erhalten, um Zeit für die Suche nach Käufern für jeden der Standorte zu gewinnen.

Swiss Steel wollte sich von drei Werken von Ascometal in Frankreich trennen: Jenen in Hagondange (Département Moselle), in Custines (Département Meurthe-et-Moselle) und in Le Marais (Département Loire). Nun betrifft das gerichtliche Restrukturierungsverfahren alle fünf Werke von Ascometal, wie eine Swiss Steel-Sprecherin auf Anfrage mitteilte.

Keine weiteren Investitionen

Nun zieht Swiss Steel den Stecker bei Ascometal. Frisches Geld will Konzernchef Frank Koch nicht mehr in die verlustreiche französische Firma pumpen. Das Unternehmen hätte man nie kaufen dürfen, hatte Koch vor zwei Wochen gesagt. Seit es an Bord sei, habe Swiss Steel dort signifikante dreistellige Millionenbeträge verloren.

Vom Abbruch der Verhandlungen und für den Fall der Eröffnung eines gerichtlich angeordneten Reorganisationsverfahrens befürchtet Swiss Steel «netto keine negativen finanziellen Auswirkungen auf das verbleibende Geschäft». Auch die angekündigte Kapitalerhöhung und Refinanzierung seien dadurch nicht beeinträchtigt.

Denn Swiss Steel bracht dringend frisches Geld: Der Innerschweizer Stahlkonzern fuhr im Geschäftsjahr 2023 einen riesigen Verlust von 294,8 Millionen Euro ein, der das Eigenkapital in die Tiefe riss.

Kapitalerhöhung zur Rettung?

Das Loch soll nun mit einer Kapitalerhöhung von mindestens 300 Millionen Euro gestopft werden. Diese ist abgesichert durch Grossaktionär Martin Haefner, der gut ein Drittel an Swiss Steel hält. Nicht mitziehen will Medienberichten zufolge der andere Grossaktionär Peter Spuhler. Nun müssen die Aktionäre nächste Woche an einer ausserordentlichen Generalversammlung entscheiden.

Auch das zweite Schweizer Stahlwerk in Gerlafingen SO ergreift Restrukturierungsmassnahmen. Eine der beiden Produktionslinien werde geschlossen, teilte die Firma gleichentags mit. Der Schritt wurde bereits Mitte März angedroht und betrifft nun maximal 95 Arbeitsplätze.

Aufgrund des «verzerrten Wettbewerbs» im europäischen Stahlmarkt sei die Massnahme unumgänglich, erklärte Stahl Gerlafingen, die eine Tochter der italienischen Beltrame Group ist. Die Schliessung soll die Zukunft des Stahlwerks sichern.

Politik gefordert

Stahl Gerlafingen sehe sich seit Mitte 2023 «faktisch mit einem Importverbot der EU konfrontiert». Hinzu kommen laut dem Unternehmen «massive» Fördermassnahmen für die europäische Stahlindustrie, welche die Umsätze und Margen für das Schweizer Werk schmelzen lassen.

«Zudem haben die zwischenzeitlich horrenden Energiepreise und die in der Schweiz im Vergleich zu Europa immer noch rekordhohen Netzabgaben auf Energie die Bilanz von Stahl Gerlafingen tiefrot werden lassen», schrieb das Unternehmen.

Derweil sollen das Stahlwerk selbst, die Kombistrasse, das Ringcenter und Instandhaltungen von den bevorstehenden Massnahmen weitestgehend ausgenommen nehmen. Damit würden jene Teile geschützt, die für die Schweiz systemrelevant seien und welche die Versorgung mit strategisch wichtigen Stahlprodukten sicherstellen würden.

Das Stahlwerk stellt aus einheimischem Stahlschrott rund 50 Prozent des jährlich benötigten Baustahls in der Schweiz her. Sollte es stillgelegt werden, müsste der Schweizer Stahlschrott ins Ausland gebracht werden.

Die Gewerkschaften Syna, Unia und der Kaufmännische Verband forderten ein Eingreifen der Politik. Diese müsse eine Schweizer Industriepolitik ausarbeiten. Von der Geschäftsleitung verlangen die Gewerkschaften eine Verlängerung der Konsultationsfrist, um genügend Zeit für eine tragfähige Lösung zu erarbeiten.

Kommentare

User #1356 (nicht angemeldet)

Alles was nicht rentabel ist kann weg. Auch den Bauern würde ich nichts geben, stellt euch dem Markt und passt alles an oder macht dicht.

User #945 (nicht angemeldet)

Das ist unerfreulich. Dass die Stahlindustrie jedoch "systemrelevant" ist, ist ein Märchen.

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