Aggressiv im Notfall: «Für Eltern Affront, wenn Kind warten muss»
Der Notfall des Kinderspitals Basel erlebt einen Ansturm. Lange Wartezeiten sind die Folgen – das verstehen die Eltern nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Anzahl der leichten Krankheitsfälle hat im Kinderspital Basel stark zugenommen.
- Das führt auf der Notaufnahme zu langen Wartezeiten – Eltern zeigen wenig Verständnis.
- Der Respekt nehme ab, klagt ein Arzt.
Die Bewertungen für einige Schweizer Kinderspitäler sind nicht gerade rosig. Das Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) beispielsweise wurde auf Google im Durchschnitt nur mit drei von fünf Sternen bewertet.
Bei einer Rezension eines enttäuschten Grossvaters steht: «Nicht gut ausgebildetes, unfreundliches Personal. Meine Enkelin war froh, als sie nach einigen Stunden gehen durfte». Trotz positiver offizieller Qualitätsmessungen gibt es Probleme – die Notfallstation ist stark überlastet.
Michel Ramser, Leiter der Notfallstation am UKBB, erklärt in der «NZZ»: Die Anzahl der leichten Fälle hat stark zugenommen und macht nun mehr als die Hälfte aller Besprechungen aus.
Kinder nicht kränker – aber Eltern haben es dringender
«Die Kinder sind nicht viel kränker als früher, aber die Zahl der nicht dringlichen Konsultationen hat stark zugenommen». Heisst: Offenbar hat sich weniger der Gesundheitszustand der Kinder verändert, sondern eher das Dringlichkeits-Verständnis der Eltern.
Ramser sieht verschiedene Gründe für den Ansturm auf die Notfallstationen. Er glaubt an eine Kombination aus gesellschaftlichen Veränderungen und einem Mangel an Kinderärzten.
Zudem seien viele Eltern verunsichert und suchen bei kleinsten Symptomen sofort Hilfe im Spital. «Sie kommen auf den Notfall, wenn das Kind zwei, drei Stunden Fieber hatte», sagt er. «Das ist nur bei Kleinkindern sinnvoll.»
Eltern verstehen nicht, dass schlimmere Fälle früher drankommen
Der Notfall-Ansturm führt zu langen Wartezeiten und erhöhtem Stress für alle Beteiligten. «Die Ungeduld nimmt zu, der Respekt ab», klagt Ramser.
Ein Problem ist, dass viele das Prinzip der Triage nicht verstehen. Es funktioniert so: Zu Beginn teilen Pflegefachleute die Kinder in leichte und schwere Fälle ein. Die schweren Fälle kommen schneller dran als die leichten.
Bei einigen Eltern sorgt das für Ärger – für sie unverständlich, warum andere Kinder früher behandelt werden als das eigene. «Für gewisse Eltern ist es ein Affront, wenn ihr Kind warten muss», so Ramser.
Dabei: «Aus medizinischer Sicht wäre es absurd, ein Kind drei Stunden warten zu lassen, das eine lange und intensive Behandlung braucht.»
«Alleine, dass sie da stehen, macht Eindruck»
In den letzten Monaten musste das medizinische Personal am UKBB wegen aggressiven Angehörigen sogar durch Sicherheitskräfte beschützt werden. Seit Beginn dieses Jahres mussten die Sicherheitsleute etwa 200 mal eingreifen. «Alleine, dass sie da stehen, macht Eindruck», so Straumann.
Auseinandersetzungen mit aufgebrachten Eltern belasten das Pflegepersonal stark. Barbara Hochuli, Pflegeexpertin am UKBB, hat erkannt, dass solche Konflikte manchmal dazu führen können, dass Pflegende ihren Beruf aufgeben. Dies verschärft die Knappheit der Pflegefachkräfte weiter.