Algeriens Ex-Minister Nezzar droht Anklage in der Schweiz
Die Bundesanwaltschaft (BA) hat die Schlussbefragung des früheren algerischen Verteidigungsministers Khaled Nezzar durchgeführt.
Das Wichtigste in Kürze
- Dem Ex-Verteidigungsminister Algeriens droht eine Gerichtsverhandlung in der Schweiz.
- Khaled Nezzar werden Folter und willkürliche Verhaftungen in den 90ern vorgeworfen.
- Es ist das vorerst letzte Kapitel in einem jahrelangenlangen juristischen Ausnahmefall.
Ihm werden willkürliche Verhaftungen und Folter während des Bürgerkrieges zwischen Regierung und Islamisten in den 1990er Jahren vorgeworfen. Im droht nun eine Anklage vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona. Die Bundesanwaltschaft bestätigte am Dienstag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA den Abschluss der Anhörungen.
Kriegsverbrechen im algerischen Bürgerkrieg
Die Anklagebehörde machte jedoch keine weiteren Angaben zum laufenden Verfahren. Informationen zum Fall waren von der in Genf ansässigen Nichtregierungsorganisation (NGO) Trial International veröffentlicht worden, die gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen kämpft.
In den Akten der BA werde festgehalten, dass zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden, als Nezzar zu Beginn des algerischen Bürgerkriegs die Militärjunta anführte und als Verteidigungsminister amtierte, heisst es auf der Homepage von Trial International. Der NGO zufolge starben oder verschwanden in Algerien zwischen 1992 und 2000 rund 200'000 Menschen.
Anwälte wollen Freispruch
Nezzar Anwälte betonten wiederum, der frühere Verteidigungsminister habe die ihm für den Zeitraum zwischen Januar 1992 und Januar 1994 zur Last gelegten Taten immer bestritten, wie es in einer Mitteilung vom Dienstagabend hiess. Die Kläger würden sich auf unüberprüfbare Quellen im Internet stützen. Nezzar werde nun auch als Komplize und nicht mehr als Täter angesehen.
Trial International begrüsste die Arbeit der Bundesanwaltschaft als «gigantischen Schritt im Kampf gegen die Straffreiheit». Nach mehr als zehn Jahren Ermittlungen und zahlreichen juristischen Wendungen ebne das Ende des Verfahrens den Weg für eine baldige Anklage Nezzars wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter aussergerichtliche Hinrichtungen, Folter und gewaltsame Verschleppungen.
Trial International hatte das Verfahren initiiert, indem die Organisation im Oktober 2011 eine Strafanzeige gegen Nezzar eingereicht einreichte, als dieser sich in Genf aufhielt.
Bundesanwaltschaft liess Nezzar gehen
Nachdem er am nächsten Tag freigelassen worden war, hatte Nezzar die Schweiz gegen das Versprechen verlassen, den Vorladungen der Justiz Folge zu leisten. Die Bundesanwaltschaft hatte daraufhin beschlossen, eine strafrechtliche Untersuchung wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten.
2012 legte Nezzar Beschwerde gegen die gegen ihn eingeleitete Strafverfolgung ein und machte geltend, dass ihn seine Funktion als Verteidigungsminister zum Zeitpunkt der Taten vor einer möglichen Strafverfolgung in der Schweiz geschützt habe.
Das Bundesstrafgericht wies die Beschwerde allerdings mit der Begründung ab, dass es ausgeschlossen sei, sich bei internationalen Verbrechen (Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord) auf eine Immunität zu berufen.
2017 stellte die Bundesanwaltschaft das Verfahren mit der Begründung ein, dass Anfang der 1990er Jahre in Algerien kein bewaffneter Konflikt bestanden habe, woraufhin die klagenden Parteien beim Bundesstrafgericht Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung einreichten.
Das Bundesstrafgericht gab schliesslich 2018 seine Entscheidung bekannt, die Einstellung des Verfahrens durch die Bundesanwaltschaft aufzuheben, sodass diese die Untersuchung wieder aufnehmen musste.