Ärztemangel: Ist die «Feminisierung» des Berufs schuld daran?
Politikerin Maja Riniker sieht den Grund des Ärztemangels bei Ärztinnen, die Teilzeit arbeiten. Der Assistenz- und Oberärzteverband hält dagegen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Ärztemangel ist in der Schweiz seit Jahren ein Dauerthema.
- Eine FDP-Politikerin sieht die «Schuld» daran bei den Teilzeitpensen der Ärztinnen.
- Ein Fachverband hält dagegen; Teilzeitpensen seien ein Zukunftskonzept.
In der Schweiz herrscht Ärztemangel. Dabei ist die Ausbildung zum Arzt oder zur Ärztin beliebt. In diesem Jahr haben sich an den Schweizer Unis rund 4500 Personen angemeldet – dies bei lediglich 1122 Studienplätzen.
Sind eben diese begrenzten Studienplätze oder der Numerus clausus für den Ärztemangel in der Schweiz verantwortlich? Nicht nur, findet die Aargauer FDP-Nationalrätin Maja Riniker, wie die NZZ schreibt. Riniker ortet das Problem in der «Feminisierung» des Berufes.
Gute Fachkräfte sollen nicht am Pensum gemessen werden
Denn, so argumentiert Riniker, Ärztinnen würden lieber Teilzeit, als Vollzeit arbeiten. Folglich brauche es mehr Fachpersonal, um die gleichen Stellenprozente zu besetzen.
«Gute Ärztinnen werden nicht zu schlechten Ärztinnen, weil sie Teilzeit arbeiten wollen», hält Marcel Marti auf Anfrage von Nau.ch dagegen. Er ist stellvertretender Geschäftsführer des Verbands Schweizerischer Assistenz- und Oberärzte (vsao).
Ja, der Wunsch nach Teilzeitpensen steige, bestätigt Marti. «Das Bedürfnis nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zeigt sich auch bei Männern.» Gegen Teilzeitarbeit zu sein, sei der falsche Ansatz.
«Man muss adäquate Lösungen dafür finden und die Voraussetzungen dafür schaffen, damit die richtigen, guten Leute in den Beruf Arztberuf einsteigen.»
Veraltete Rollenbilder werden überholt
Die Devise «Mehr Frauen in der Medizin führt zu weniger Arbeitskräften» sei grundsätzlich falsch: «Mehr Frauen in der Medizin führen aber mit dazu, dass sich das Arzt- oder eben Ärztinnenbild verändert.» Dies im Selbstverständnis wie in der Aussenwahrnehmung, ist sich Marti sicher.
Veraltet sei das Bild von Ärztinnen und Ärzten, die ihren Job und ihre Patienten rund um die Uhr über «die eigene Gesundheit und persönlichen Bedürfnisse» stellen, wie die NZZ in Erinnerung ruft. Das berufliche Umfeld verändere sich nachhaltig, bemerkt Marti.
Aus diesem Grund müssen mehr Teilzeitstellen angeboten werden. «Was sich lohnt, denn so wird die Zufriedenheit und Verweildauer im Beruf gesteigert. Dies führt zu einem positiven Effekt bei der Qualität der Gesundheitsversorgung.»
Keine perfekte Lösung für Ärztemangel
Dem Punkt, dass die begrenzten Studienplätze zum wesentlich zum Ärztemangel beitragen, pflichtet Marti bei. «Mit der Erhöhung der Anzahl Studienplätze in der Schweiz ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt getan.»
Dieser Weg, findet er, solle weiter beschritten werden, denn so könne garantiert werden, dass es künftig genügend ärztliches Fachpersonal geben wird.
Es sei wichtig, dass bei einer Prüfung darauf geachtet werde, dass möglichst viele Aspekte und Faktoren berücksichtigt würden.
«Ziel muss es sein, die richtigen Leute für den Arztberuf zu finden, unabhängig vom Geschlecht oder vom gewünschten Beschäftigungsgrad.» Dafür müssten im gleichen Zug die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden.