Bern: Obdachlose leiden bei Hitze – «Es besteht Handlungsbedarf»
Kalte Temperaturen sind für Obdachlose lebensgefährlich. Doch vermehrt wird auch die Hitze im Sommer zum Risiko. Wie geht die Stadt Bern damit um?
Das Wichtigste in Kürze
- Extreme Hitze wird während den Sommermonaten immer häufiger.
- Besonders in Städten ist dies ein Problem. Obdachlose haben es noch schwerer.
- Die kirchliche Gassenarbeit Bern sieht Handlungsbedarf vonseiten der Stadt.
- Gemäss der städtischen Organisation «Pinto» gibt es bereits viele Rückzugsmöglichkeiten.
Der Winter ist für Wohnungslose, die auf der Strasse leben, zweifelsohne eine harte Zeit. Die klirrende Kälte kann für Obdachlose gar lebensbedrohlich werden.
Grosse Städte haben sich diesem Problem schon seit längerer Zeit angenommen und bieten nächtliche Notunterkünfte an.
Doch wie ist es um solche Menschen im Sommer bestellt? In den letzten Jahren sorgten mehrere Hitzewellen für Höchsttemperaturen von weit mehr als 30 Grad.
Personen ohne Wohnung sind diesen Temperaturen meist schutzlos ausgesetzt. Auch hier – genauso wie bei starker Kälte – können gesundheitliche Beeinträchtigungen die Folge sein.
Als Beispiele für Hitzefolgen nennt die kirchliche Gassenarbeit Bern auf Nau.ch-Anfrage etwa Sonnenbrände, Dehydrierung, Hitzeschläge, aber auch erhöhtes Hautkrebsrisiko.
Kirchliche Gassenarbeit sieht Handlungsbedarf
«Das Problem ist dasselbe wie in der kalten Jahreszeit», erklärt Nora Hunziker von der Gassenarbeit. Es gebe in der Stadt keine offiziellen gekühlten Innenräume, in welchen sich Menschen unabhängig von ihrer Problematik aufhalten könnten.
Hunziker verweist dabei auch auf ein Pilotprojekt in Basel, bei dem aktuell solche Räume gesucht werden.
Problematisch sei auch, dass Obdachlose in der Bundesstadt an sicheren Plätzen oft unerwünscht seien. «Wir stellen fest, dass der Zugang zu wettersicheren Räumen erschwert wird und Menschen weggewiesen werden.»
Bestehende Angebote würden sich nur an spezifische Gruppen richten. Treffen befreundeter Personen seien so unmöglich, führt Hunziker weiter aus. Es bestehe unbedingt Handlungsbedarf.
Stadt bewertet Situation anders
Bei der Stadt sieht man die Situation deutlich anders. Dort kümmert sich «Pinto» unter anderem um die Gesundheitssituation von wohnungs- und obdachlosen Personen. Dies im Auftrag der Direktion für Bildung, Soziales und Sport.
Silvio Flückiger, Leiter von «Pinto», sagt gegenüber Nau.ch: «Bern als Stadt bietet sehr viele Rückzugsmöglichkeiten, um der Hitze auszuweichen.» Als Beispiele nennt Flückiger viele begrünte und beschattete Parkanlagen, die Aare sowie gratis Schwimmbäder.
Auch gebe es genügend Trinkwasserbrunnen, einen davon etwa im Bereich des Bahnhofs. Eine Massnahme, die auch von der kirchlichen Gassenarbeit als besonders wichtig angesehen wird.
Bei aussergewöhnlichen Wetterlagen, zu denen auch Hitze gehört, setzt «Pinto» laut Flückiger «spezielle Schwerpunkte». Verletzliche Menschen, zu denen Obdachlose generell zählten, würde man während Hitzeperioden intensiver betreuen.
Mit verschiedenen Massnahmen wolle man mögliche gesundheitliche Auswirkungen minimieren. Dazu gehöre etwa eine Versorgung mit Wasser, aber auch die Öffnung des Obdachlosencafés an der Nägeligasse. Dieses werde eigentlich nur im Winter genutzt.
Wie gross waren Folgen in der Vergangenheit?
Auch was die gesundheitlichen Folgen von obdachlosen Menschen während vergangenen Hitzewellen betrifft, sind sich «Pinto» und kirchliche Gassenarbeit uneinig.
Beiden Organisationen sind keine direkten Todesfälle aufgrund von Hitze bekannt. Die Gassenarbeit berichtet jedoch, dass regelmässig Menschen angetroffen werden, die etwa stark dehydriert seien. Grossflächige Sonnenbrände sowie Hitzeschläge und Sonnenstiche seien ebenso keine Seltenheit.
Bei «Pinto» sind keine solchen gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bekannt. So oder so sammelt die Gassenarbeit aktuell Sonnencremes, Sonnenhüte und Sonnenbrillen, um gefährdete Menschen auszustatten.