Berner Obergericht spricht Polizisten vom Amtsmissbrauch frei

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Berner Obergericht hebt erstinstanzlichen Schuldspruch gegen Kantonspolizisten auf.

Berner Obergericht
Das Berner Obergericht hob am Mittwoch den Schuldspruch gegen einen Kantonspolizisten auf. (Symbolbild) - sda

Das Berner Obergericht hat am Mittwoch einen erstinstanzlichen Schuldspruch gegen einen Kantonspolizisten wegen Amtsmissbrauchs und Tätlichkeiten gekippt. Der Polizist habe bei einer Kontrolle einen Mann nicht mit Wucht in ein Polizeifahrzeug gestossen.

Der mit seinen Händen auf dem Rücken gefesselte Mann sei beim Einsteigen in das Fahrzeug an einem Tritt gestolpert und nach vorne ins Fahrzeug gefallen, sagte der angeschuldigte Polizist vor Gericht. Davon ging am Mittwoch letztlich auch das zweitinstanzliche Obergericht aus.

Das erstinstanzliche Regionalgericht war im Herbst 2023 zu einem anderen Schluss gekommen. Der Polizist habe den gefesselten Mann mit unangebrachter Härte in das Fahrzeug gestossen. Es verurteilte den Ordnungshüter wegen Amtsmissbrauchs und Tätlichkeiten zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse.

Kontroverse um Vorfall im Juni 2021

Der Vorfall spielte sich im Juni 2021 beim Berner Bahnhof ab. Eine Polizeipatrouille hielt bei der Heiliggeistkirche einen torkelnden Mann zur Kontrolle an. Als der sich wehrte, brachten ihn Polizisten zu Boden. Sie legten dem Mann Handschellen an und brachten ihn zu einem Dienstfahrzeug, das ihn auf die Wache fahren sollte.

Zufällig anwesende Medienschaffende der Berner Tamedia-Zeitungen beobachteten das Geschehen und berichteten danach über eine «Verstörende Aktion der Berner Kantonspolizei». Der Angehaltene sei wie ein Kartoffelsack in den Kastenwagen der Polizei geschmissen worden, hiess es in dem Artikel. Der Angehaltene sei zu Fall gekommen und habe sich am Kopf verletzt.

Zeugenaussagen vor Obergericht

Vier Journalistinnen und Journalisten sagten vor Obergericht als Zeugen aus. Sie berichteten alle davon, dass der Polizist den gefesselten Mann unsanft in das Fahrzeug befördert habe. Einer der Zeugen sagte, es habe ihn schockiert, wie rücksichtslos der Mann in den Wagen bugsiert worden sei.

Es gebe überhaupt keine Hinweise, dass die Zeugen absichtlich irgendwelche falschen Aussagen gemacht hätten, betonte der Vorsitzende der Strafkammer, Christoph Horisberger. Allerdings seien die Medienschaffenden unter dem Eindruck des Geschehens gestanden, das bei ihnen eine Betroffenheit ausgelöst habe. Es sei daher nicht klar auszumachen, was die Zeugen wirklich gesehen und was sie in das Geschehen hineininterpretiert hätten.

Glaubwürdigkeit von Aussagen angezweifelt

Die Journalistinnen und Journalisten hätten das Erlebte in der Redaktion miteinander besprochen und diskutiert. Etwas, das die eigene Erinnerung durchaus beeinflussen und formen könne. Das Obergericht hegte daher gewisse Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussagen.

Dass der Angehaltene beim Sturz den Kopf verletzt habe, habe letztlich keiner der Zeugen wirklich gesehen. Diese hätten von einem Knall gesprochen. Der könne aber auch ganz anders entstanden sein als durch das Aufschlagen des Kopfs.

Ebenso sei es möglich, dass der Angehaltene tatsächlich beim Einsteigen ins Fahrzeug über einen Tritt gestolpert sei und der Polizist ihn mit einer Handbewegung nach vorne zu halten versucht habe.

Schliesslich betonte Horisberger auch, dass man dem Angeklagten keinen Strick daraus drehen dürfe, wenn er keine detailreichen Angaben zum Geschehen mache. Der Polizist selber hatte stets betont, es habe sich nicht um einen aussergewöhnlichen Einsatz gehandelt, sondern um ganz normalen Polizeialltag. Eine Anhaltung könne für Aussenstehende schon grob aussehen.

Sicherheitsdirektor kritisiert Berichterstattung

Der Vorfall warf hohe Wellen, weil sich der kantonale Sicherheitsdirektor, Regierungsrat Philippe Müller (FDP), einschaltete. Er kritisierte die «Berner Zeitung» und den «Bund» heftig für ihre Medienberichterstattung.

Der Fall sei von Beginn weg auf die gleiche Stufe gestellt worden wie die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen US-Polizisten. Die betroffenen Berner Polizisten seien dadurch in ein völlig schiefes Licht gerückt und vorverurteilt worden.

Die Chefredaktion der Berner Tamedia-Zeitungen wies die Kritik umgehend zurück. Die Medienschaffenden hätten «korrekt und präzise offengelegt», was sie beobachtet hätten. Im Beitrag sei zudem kein direkter Vergleich mit dem Fall Floyd gemacht worden. In einem später erschienenen Leitartikel sei explizit erwähnt worden, dass sich die beiden Fälle nicht vergleichen liessen.

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