Betrüger locken jetzt per Brief mit Fake-Erbe
Über zehn Millionen soll ein Zürcher vererbt erhalten. Doch hinter dem Versprechen per Brief steckt eine fiese Masche. Experten warnen.
Das Wichtigste in Kürze
- Einem Zürcher wird per Brief ein Erbe versprochen – die Kriminalprävention warnt.
- Der seriös wirkende Brief aus Kanada entpuppt sich als Betrugsmasche.
- Betrüger nutzen gehackte Adressen aus dem Darknet für den Betrugsversuch.
«Es mag Sie überraschen, diesen Brief zu erhalten, da zwischen uns zuvor kein Briefwechsel stattgefunden hat.» So beginnt ein Brief, den Nau.ch-Leser Dominic I.* (25) kürzlich erhalten hat.
Und der Inhalt ist tatsächlich eine Überraschung: Adressiert von einer kanadischen Anwaltskanzlei meldet sich die persönliche Anwältin eines vermeintlichen Verwandten beim Zürcher.
«Jetzt hat mich die Bank beauftragt, die Ansprüche aller Familienerben geltend zu machen.» Deshalb habe sie sich bei ihm nun per Brief gemeldet.
«Alles, was ich brauche, ist Ihre ehrliche Zusammenarbeit, damit wir diese Transaktion durchführen können.»
Zehn Prozent des Erbes sollen an eine Wohltätigkeitsorganisation gespendet, der Rest zwischen der Anwältin und ihm aufgeteilt werden.
Doch I. geht darauf nicht ein. «Das riecht nach Betrug», sagt er. «Ich kenne auch keinen Paul, der mit mir verwandt sein soll!»
«Briefe sollen Seriosität untermauern»
Wer den Brief genau betrachtet, sieht verschiedene Ungereimtheiten. Nicht nur haben sich verschiedene Schreibfehler eingeschlichen, der Brief der angeblichen Anwaltskanzlei aus Kanada wurde in Spanien abgeschickt.
Tatsächlich: Hinter dem Brief steckt eine bekannte Betrugsmasche, die man sonst nur von Phising-E-Mails kennt. «Briefe sollen den Anschein der Seriosität untermauern», erklärt die Schweizerische Kriminalprävention gegenüber Nau.ch.
Wer im Netz nach dieser Kanzlei sucht, wird fündig. Rasch wird klar: Die Betrüger haben deren Namen missbraucht.
Ein Blick in die Google-Rezensionen zeigt: Dominic I. ist nicht der Einzige, der einen solchen Brief zu einem Fake-Erbe erhalten hat.
«Sie verlangen vorher Geld, das ist kein normaler Vorgang», warnt eine Userin. «Tappen Sie nicht in die Falle.»
Kriminal-Experte Dirk Baier erfährt erst durch Nau.ch, dass diese Betrugsmasche nun auch per Briefpapier erfolgt.
Betrüger kaufen gehackte Adressen im Darknet
Er verweist darauf, dass diese aus Kostengründen nicht so stark verbreitet sein kann wie jene per E-Mail. «Druck und Versand solcher Schreiben kosten Geld. Die Beschaffung der Adressen ebenfalls.»
Doch woher haben die Betrüger die Postadressen?
Baier erklärt: «In der Schweiz kann man Adressen von Adresshändlern kaufen, was möglicherweise hier geschehen ist.» Es sei auch möglich, dass Adressregister ausspioniert oder gehackt wurden. «Respektive, dass gehackte Listen aus dem Darknet besorgt wurden.»
«Pilotversuch für Betrüger»
Darknet bezeichnet einen Teil des Internets, der absichtlich abgeschottet ist, um Anonymität und Datenschutz zu gewährleisten. Es bietet damit aber auch ein Einfallstor für Kriminelle.
Kriminal-Experte Dirk Baier glaubt zwar nicht, dass die Brief-Betrugsmasche nun massenhaft zur Anwendung kommt.
Er warnt aber: «Möglicherweise stellt sie eine Art Pilotversuch dar, damit Betrüger Erfahrungen damit sammeln.»
* Name der Redaktion bekannt