Telefon-Betrug: So kommen Kriminelle an deine Nummer
Telefon-Betrüger finden immer dreistere Maschen, um Leute abzuzocken – das ist bekannt. Aber wie kommen die Gauner überhaupt an die Nummern?
Das Wichtigste in Kürze
- Telefon-Betrüger treiben mit immer neuen Maschen in der Schweiz ihr Unwesen.
- Die Nummern finden sie heraus, wenn sie wahllos Nummernkombinationen abtelefonieren.
- Dagegen schützen kann man sich kaum, meint das Bundesamt für Cybersicherheit.
Telefon-Betrüger lassen sich immer wieder neue Maschen einfallen, um via Anruf oder Textnachricht Geld von Opfern abzukassieren.
Das Repertoire der Gauner ist gross: Angebliche Twint-Sperrung, Enkeltrick, Schockanruf, fake Polizisten und Parkplatz-SMS sind nur einige davon.
Früher durchforsteten die Betrüger Telefonbücher nach alt klingenden Namen, um sich vermeintlich ältere Opfer zu suchen.
Auch bedienten sie sich an Telefonnummern, die beispielsweise durch ein Datenleck öffentlich wurden.
Milliarden Nummern im Umlauf
2017 ereignete sich ein besonders krasser Fall: Hacker erbeuteten unter anderem Telefonnummern von 57 Millionen Uber-Kunden.
Mit solchen Daten lässt sich für Kriminelle viel Geld machen. Sie verkaufen sie kurzerhand im Darknet. 2021 standen dort 3,8 Milliarden Nummern zum Verkauf.
Das Bundesamt für Cybersicherheit (BACS) erklärt auf Anfrage von Nau.ch: «Wer von einem Betrüger mit dem Namen angesprochen wird, ist vermutlich Opfer eines solchen Falls.»
Kein Datenleck – trotzdem Anrufe
Doch Betrüger können auch anders, wie der Fall von Nau.ch-Leserin Jeanne N.* zeigt. Sie erzählt: «Ich schütze meine Daten sehr konsequent und trage meine Telefonnummer bei Umfragen oder Gewinnspielen nie ein.»
Sprich: Die Daten können gar nicht im Netz landen. Trotzdem erhalte sie in letzter Zeit viele Fake-Anrufe und -SMS, die sie sich nicht erklären könne.
Jeanne N. fragt sich: «Woher kennen Gauner meine Nummer, wenn ich sie eigentlich niemandem herausgebe?»
Eine Frage, die sich auch Nau.ch gestellt hat: Wie gelangen Betrüger an private Handynummern, die de facto nicht Teil eines Datenlecks sein können?
Nummern werden zufällig abtelefoniert
Das BACS hat eine einfache Erklärung: «Wir gehen davon aus, dass die Nummern in den meisten Fällen zufällig ausprobiert werden.»
Im Gegensatz zu Mail-Adressen gebe es bei Telefonnummern eine definierte Anzahl Kombinationen. «Das Lied ‹079› von Lo & Leduc beschreibt dies sehr schön.»
Das bekräftigt auch die Kantonspolizei Zürich, welche die Onlineplattform «cybercrimepolice.ch» betreibt. Diese informiert über aktuelle Telefon-Betrugsmaschen und andere Gefahren im digitalen Raum.
In diesem konkreten Fall vermutet sie «elektronische Einrichtungen, die in grossen Mengen Telefonnummern wählen».
Das tun Betrüger mit deiner Telefonnummer
Doch was stellen Betrüger mit zufällig gewählten Nummern an? Nau.ch-Redaktor Alexander König ist spezialisiert auf Digital- und Technikthemen. Er weiss: «Sobald jemand rangeht, haben die Betrüger schon gewonnen.»
«Sie denken sich ‹die Nummer existiert, wir können sie verkaufen›!» In seltenen Fällen erhoffen sich die Betrüger einen Rückruf. Der Zurückrufende wählt damit aber eine kostenpflichtige Nummer.
Stellt sich der Angerufene mit Namen vor, gewinnen die Betrüger umso mehr: «Telefonnummern in Verbindung mit Namen sind im Darknet ein Vielfaches mehr wert.»
Denn: Wird jemand bei einem Betrugsanruf mit dem Namen angesprochen, weckt dies Vertrauen.
Darum legen Anrufen wortlos auf
Der Redaktor hat folgende Erfahrung gemacht: «Wenn ich bei einem Anruf lange nichts sage, bleibt der Anrufer dran und sagt gar nichts. Sobald ich sage: ‹Ja, König?› wird der Anruf beendet.»
Die gesammelten Nummern verkaufen die Betrüger nicht einzeln, sondern Hunderte, Tausende oder noch mehr aufs Mal.
König erklärt: «Während eine Telefonnummer ohne Namen wenige Rappen einbringen dürfte, erhöht der Name den Wert auf bis zu mehr als fünf Franken.»
Betrüger nehmen für Nummern von reichen Senioren viel Geld in die Hand
Ausnahmen gibt es jedoch, beispielsweise bei vermögenden Personen im höheren Alter. «Dort dürften Käufer in Einzelfällen mehrere hundert Franken in die Hand nehmen.»
Grund: Fällt der Angerufene hier auf eine Masche rein, lässt sich das Vielfache herausholen.
Wird man im Rahmen einer «Sammelaktion» angerufen, hat man übrigens selten einen Menschen am anderen Ende der Leitung: «Die Durchwahlsysteme laufen komplett automatisiert ab. Sogar die Nachnamen werden maschinell transkribiert und erfasst.»
Mit Hinblick auf das «Schwyzerdütsch» meint König: «Hier dürften die Betrüger an ihre Grenzen stossen. Es gibt wenige bis keine Computerprogramme, die alle Schweizerdeutsch-Dialekte sauber erfassen.»
Er lacht und ergänzt: «Spätestens beim Walliserdeutsch werden die Betrüger aufgeben. Ich kann mir sogar vorstellen, dass Leute im Wallis weniger oft Opfer von Betrugsmaschen werden.»
Man kann sich kaum schützen
Beim altbekannten Enkeltrick stehen besonders ältere Personen im Fokus. Bei der zufälligen Nummernwahl hingegen gibt es keine Zielgruppe.
Schliesslich können die Betrüger bei diesem Vorgehen nicht wissen, ob und welche Person an den Hörer geht.
Doch wie sich schützen? Laut dem BACS sei dies leider kaum möglich. Wichtig sei, was der Angerufene tut, sobald er einen ungewöhnlichen oder dubiosen Anruf erhält: «Das Gespräch beenden.»
Zudem solle man auf keinen Fall am Telefon, per Mail oder Textnachricht Informationen über Passwörter oder Kreditkartendaten preisgeben.
Ganz heikel wird es, wenn sich die Betrüger etwa als technischen Support ausgeben.
Das BACS warnt: «Erlauben Sie den Anrufern auf keinen Fall, über ein Fernzugriffstool auf Ihren Computer zuzugreifen.»
Telefon-Betrug wäre verhinderbar: Rüge für Mobilfunkanbieter
König nimmt derweil die Mobilfunkanbieter in die Pflicht: «Die meisten Firmen könnten diverse Massnahmen ergreifen, um die Anzahl an Betrugsanrufen, die durchkommen, zumindest zu verringern. Aber mir scheint, dass dies manchen schlicht nicht genug wichtig ist.»
Erst wenn Mobilfunkkunden zu einer Konkurrenz wechseln, die Betrugsanrufe besser im Griff hat, dürfte sich hier etwas ändern.
*Name geändert